Bolivien (spanisch Bolivia [boËliÎČiÌŻa], benannt nach SimĂłn BolĂvar, auf Quechua Puliwya, auf Aymara Wuliwya und GuaranĂ MborĂvia, offiziell: Plurinationaler Staat Bolivien) ist ein Binnenstaat in SĂŒdamerika, der im Westen an Peru und Chile, im SĂŒden an Argentinien und Paraguay, im Osten und Norden an Brasilien grenzt. Im Land gibt es drei klimatische Zonen: das Gebirge der Anden im Westen, die tropischen Tiefebenen im Osten und dazwischen eine Zone von TĂ€lern mit gemĂ€Ăigtem und subtropischem Klima. Das Land zeichnet sich besonders durch seine kulturelle und ethnische Vielfalt aus, die im Namen Plurinationaler Staat zum Ausdruck kommt. Die Verfassung erkennt offiziell 36 verschiedene Ethnien und deren eigene Sprachen an. Trotz hoher wirtschaftlicher Wachstumsraten von durchschnittlich 6,2 % zwischen 2012 und 2022 gilt Bolivien noch immer als eins der Ă€rmsten LĂ€nder Lateinamerikas.
Das Land ist nach dem sĂŒdamerikanischen UnabhĂ€ngigkeitskĂ€mpfer SimĂłn BolĂvar benannt.
WĂ€hrend der Kolonialzeit, als das Land Teil des Vizekönigreich RĂo de la Plata war, wurde das Gebiet Alto PerĂș (Oberperu) genannt. In der UnabhĂ€ngigkeitserklĂ€rung von 6. August 1825 ist noch die Rede von den âdepartamentos del Alto PerĂșâ. Wenige Tage spĂ€ter verabschiedete die Generalversammlung der Abgeordneten der Provinzen von Oberperu ein Dekret, in dem BolĂvar als Befreier der Provinzen mit mehreren Ehren bedacht wurde, unter anderem dem neuen Staatsnamen RepĂșblica de BolĂvar (Republik des BolĂvar). Auf Vorschlag des Abgeordneten Martin Cruz wurde dieser Name noch im selben Jahr auf Bolivia abgeĂ€ndert. Seit Inkrafttreten der neuen Verfassung 2009 trĂ€gt der Staat den Namen Estado Plurinacional de Bolivia, um die multi-ethnische Zusammensetzung und Geschichte des Landes zu betonen. Im amtlichen Sprachgebrauch Deutschlands und Ăsterreichs wird das Land Bolivien genannt, in jenem der Schweiz Plurinationaler Staat Bolivien.
Bolivien wird im Westen von zwei groĂen und weit auseinander liegenden Ketten der Anden durchzogen, deren Höhe bis ĂŒber 6500 m reicht (Sajama 6542 m, Illimani 6439 m). Dazwischen liegt das zentrale Hochland, der 3000 bis 4000 m hohe Altiplano. Dieses bis weit in das Nachbarland Peru reichende und im SĂŒden den Nordwesten von Argentinien einschlieĂende Gebiet ist das eigentliche Kernland, in dem rund 60 Prozent aller Bolivianer leben, obwohl es nur etwa ein Drittel der FlĂ€che Boliviens ausmacht. Inmitten des Altiplano liegen der Salar de Uyuni, der mit einer FlĂ€che von 12.000 kmÂČ der weltweit gröĂte Salzsee ist, sowie der Titicacasee, der höchstgelegene kommerziell schiffbare See der Erde, durch dessen Mitte die Grenze zum Nachbarland Peru verlĂ€uft.
Ăstlich schlieĂt sich das sogenannte ostbolivianische Bergland an, das sich geologisch deutlich vom Hochgebirge unterscheidet. Zwischen dem Ostabhang der Anden und dem ostbolivianischen Bergland erstrecken sich in den TĂ€lern mit Unterbrechungen FeuchtwĂ€lder in einer Höhe zwischen etwa 1200 und 1800 m ĂŒ. NN. Hervorzuheben sind diesbezĂŒglich die fruchtbaren Yungas auf dem Gebiet des Departamentos La Paz. Eine Ă€hnliche Landschaft findet sich auch zum Beispiel in der Provinz Chapare im Departamento Cochabamba und im Naturschutzgebiet TariquĂa ganz im SĂŒden im Departamento Tarija, auch Yunga Tarijeña genannt.
Der flĂ€chenmĂ€Ăig gröĂte Teil Boliviens sind die Llanos, die sich vom ostbolivianischen Bergland bis an die östliche und sĂŒdöstliche Grenze zu Brasilien und Paraguay erstrecken. Dieses auĂerhalb der GroĂstadt Santa Cruz nur Ă€uĂerst dĂŒnn besiedelte tropisch-heiĂe Tiefland untergliedert sich in die trockenen Savannen des Gran Chaco im SĂŒden und die tropischen Regenwaldgebiete Amazoniens im Norden.
Eine Besonderheit sind auch die fruchtbaren TĂ€ler in den OstabhĂ€ngen der Anden im SĂŒden des Landes auf einer Höhe von 1500 bis 2500 m ĂŒ. NN. Im Valle Central de Tarija und bei Camargo wird intensiv Weinanbau betrieben.
Bolivien hat fĂŒnf Nachbarstaaten. Diese sind im Uhrzeigersinn: im Norden und Osten Brasilien (3400 km GrenzlĂ€nge), im SĂŒden Paraguay (750 km) sowie Argentinien (742 km), im Westen Chile (861 km) und Peru (900 km). Die GesamtlĂ€nge der Staatsgrenzen betrĂ€gt 6653 Kilometer.
Bolivien und das benachbarte Paraguay sind die einzigen Binnenstaaten Amerikas. Bolivien hatte seinen Meereszugang bei Antofagasta nach dem Salpeterkrieg im Vertrag von ValparaĂso 1884 Chile ĂŒberlassen mĂŒssen. Dies wurde durch den Friedensvertrag von 1904 bestĂ€tigt. Nach Ansicht Boliviens war Chile zu Verhandlungen ĂŒber einen Zugang zum Pazifischen Ozean verpflichtet und reichte deshalb am 24. April 2013 beim Internationalen Gerichtshof eine Klage ein. Der Internationale Gerichtshof verneinte am 1. Oktober 2018 eine solche Verpflichtung.
Das Klima in Bolivien ist, bedingt durch die enormen Höhenunterschiede, sehr vielfÀltig. Grob unterscheiden kann man
Die offizielle Hauptstadt Boliviens ist Sucre, der Sitz der Regierung befindet sich jedoch in La Paz, dessen Stadtgebiet auf Höhen zwischen 3200 m und 4100 m liegt. Damit gilt La Paz als der höchstgelegene Regierungssitz der Erde. Weitere auf 4.000 m und höher gelegene GroĂstĂ€dte sind El Alto, bis 1985 ein Stadtteil von La Paz, sowie PotosĂ. Die mit Abstand gröĂte Stadt Boliviens ist hingegen Santa Cruz de la Sierra, die Hauptstadt des gleichnamigen Departamentos, die als der wirtschaftliche Motor des Landes gilt.
Im Jahr 2023 lebten 71 Prozent der Einwohner Boliviens in StĂ€dten. Die gröĂten StĂ€dte Boliviens, geordnet nach der Zahl ihrer Einwohner im Jahr 2012 (VolkszĂ€hlung) und 2005 (ZĂ€hlung), sind:
Bolivien hatte 2024 11,3 Millionen Einwohner. Das jĂ€hrliche Bevölkerungswachstum betrug + 1,2 %. Zum Bevölkerungswachstum (2022) trug ein GeburtenĂŒberschuss (Geburtenziffer: 21,6 pro 1000 Einwohner vs. Sterbeziffer: 9,1 pro 1000 Einwohner) bei. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2022 statistisch bei 2,6, die der Region Lateinamerika und der Karibik betrug 1,8. Der Median des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2021 bei 23,9 Jahren. Im Jahr 2023 waren 30,5 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre, wĂ€hrend der Anteil der ĂŒber 64-JĂ€hrigen 4,9 Prozent der Bevölkerung betrug.
UngefÀhr 800.000 Bolivianer sind wegen der weit verbreiteten Armut im Land ausgewandert. Die meisten Migranten aus Bolivien leben in Argentinien, Brasilien, Chile und Spanien. In Bolivien selbst sind nur 1,3 % der Bevölkerung AuslÀnder.
Die Verfassung erkennt offiziell 36 verschiedene Ethnien und deren eigene Sprachen an. Etwas ĂŒber 50 % der Bevölkerung gehören indigenen Völkern (span. indĂgenas) der sĂŒdamerikanischen Indianer an, meist Quechua (30,7 %) und Aymara (25,2 %); gut 30 % der Bevölkerung sind Mestizen. Die ĂŒbrigen Bewohner des Landes sind âWeiĂeâ, meist Nachkommen der verschiedenen Einwanderungswellen aus Europa bis nach dem Zweiten Weltkrieg, Nachkommen afrikanischer Sklaven, vornehmlich aus Angola, und Einwanderer aus Japan und China.
Waren zu Zeiten der spanischen Eroberung allein im Departamento Santa Cruz 80 indigene Gruppen zu finden, so existieren heute durch die Folgen der Conquista im ganzen Land nur etwa 40 ethnische Gruppen, die 35 Sprachfamilien angehören. Die gröĂten ethnischen Gruppen finden sich auf der Hochebene, wo die Quechua und Aymara mit 3,2 bzw. 2,5 Millionen einen sehr groĂen Teil der Bevölkerung ausmachen. Etwa fĂŒnf bis acht lokale Gemeinschaften leben in den RegenwĂ€ldern und im Gran Chaco als isolierte Völker.
Im Gegensatz zu den kleinen und kleinsten indigenen Gruppen, von denen drei in absehbarer Zeit vermutlich aussterben werden, konnten die groĂen und mittelgroĂen Bevölkerungsgruppen wie Chiquitanos (180.000), GuaranĂ (130.000), Moxeños (80.000) und Afrobolivianer (20.000) sogar BevölkerungszuwĂ€chse verzeichnen. Gleichzeitig erleben die genannten Gruppen einen Prozess der RĂŒckbesinnung auf ihre Wurzeln und ein Erstarken ihrer kulturellen IdentitĂ€t. In weiten Teilen des Landes bemĂŒhen sich Eltern, ihre indigene Sprache nicht an ihre Kinder weiterzugeben, um ihnen dadurch wirkliche oder vermeintliche Nachteile bei der schulischen Bildung zu ersparen. Allerdings gibt es inzwischen Bestrebungen, die Landkinder in ihrer indigenen Muttersprache zu alphabetisieren und diese Sprachen auch fĂŒr gewisse Studien (beispielsweise Lehramt, Medizin) als Pflicht- oder wenigstens Freifach vorzuschreiben. Ein zumindest symbolischer Meilenstein fĂŒr die BemĂŒhungen um den Erhalt der indigenen Kulturen war die VerfassungsĂ€nderung von 1994, mit der Bolivien nun auch offiziell als multikulturelle, pluriethnische Gesellschaft anerkannt wurde. In der neuen Verfassung von 2009 werden umfangreiche Rechte fĂŒr die naciones y pueblos indĂgena originario campesinos festgeschrieben.
Der Willakatuti ist ein staatlicher Feiertag am 21. Juni.
Laut dem Zensus 2001 bezeichnen sich 78 % der Bevölkerung als Katholiken, 19 % gaben an, einer protestantischen oder evangelikalen Richtung anzuhĂ€ngen. In den urbanen Gebieten ist der katholische Anteil etwas höher als im lĂ€ndlichen Raum. Bis zum Inkrafttreten der neuen Verfassung (2009) war der Katholizismus Staatsreligion. Nur 2,5 % gaben 2001 an, ĂŒberhaupt nicht religiös zu sein. Weitere Religionen haben insgesamt nur einen sehr geringen Anteil, darunter auch die wenigen noch existenten ethnischen Religionen der Indigenen. Allerdings gibt es regional sehr stark prĂ€sente Gemeinden der Zeugen Jehovas, des Islam, des Bahaitums und anderer. Weit verbreitet ist auch der Synkretismus, der den christlichen Glauben mit Elementen der traditionellen Weltanschauung der indigenen Bevölkerung mischt. WĂ€hrend der PrĂ€sidentschaft von Evo Morales (2006 bis 2019) wurde der Synkretismus deutlich aufgewertet und erreichte mehr Bevölkerungsschichten als zuvor.
Die Verfassung erkennt Spanisch und weitere 35 indigene Sprachen als offizielle Sprachen an. Der Staat und jedes Departamento mĂŒssen Spanisch und mindestens eine weitere Sprache als Amtssprachen verwenden. Spanisch ist die Muttersprache von 69,6 % der Bevölkerung, gefolgt von Quechua (nord- und sĂŒdbolivianisches Quechua â 17,5 %), Aymara (10,7 %) und GuaranĂ (0,6 %). Spanisch ist in den StĂ€dten stĂ€rker vertreten, die indigenen Sprachen stĂ€rker bei der Landbevölkerung. Viele wachsen mehrsprachig auf. In den Schulen und UniversitĂ€ten des Landes wird meist nur auf Spanisch unterrichtet, allerdings wird seit 1995 erfolgreich interkulturelle zweisprachige Erziehung (Unterricht in indigener und spanischer Sprache) unterstĂŒtzt.
Im Dezember 2008 erklĂ€rte PrĂ€sident Morales nach einer dreijĂ€hrigen Alphabetisierungskampagne, in der etwa 820.000 Menschen lesen und schreiben lernten, das Land fĂŒr analphabetenfrei, da nunmehr 97 % der Bevölkerung lesen und schreiben könnten. Im Jahr 2001 hatte der Anteil der Analphabeten noch 14 % betragen.
Die Gesundheitsausgaben des Landes betrugen im Jahr 2021 8,2 % des Bruttoinlandsprodukts. Im Jahr 2017 praktizierten in Bolivien 10,1 Ărzte je 10.000 Einwohner. Die Sterblichkeit bei unter 5-jĂ€hrigen betrug 2022 23,9 pro 1000 Lebendgeburten.
Noch 2010 hatte ein groĂer Teil der Bevölkerung keinen Zugang zum Gesundheitswesen. Allerdings implementiert die Regierung seither umfangreiche Programme, um das verfassungsmĂ€Ăige Recht auf kostenfreien Zugang zu einem universellen Gesundheitssystem zu garantieren. Hierzu gehören auch mobile Einheiten und ein satellitengestĂŒtztes Telemedizin-Programm zugunsten der Bevölkerung in abgelegenen Gebieten. Impfungen sind kostenlos und erreichen nahezu die gesamte Bevölkerung. AuĂerdem wird versucht, alle Provinzen mit KrankenhĂ€usern auszustatten und in Stadtteilen mehr Gesundheitszentren zu errichten, um das Versorgungsangebot zu dezentralisieren.
Es besteht im Gesundheitsbereich eine gute Kooperation mit Kuba: Bolivianische Medizinstudenten erhalten Stipendien und kubanische Ărzte unterstĂŒtzen in Bolivien den Aufbau leistungsfĂ€higerer Strukturen. Komplexe Therapien und Operationen können von den Ărzten bolivianischer KrankenhĂ€user und Kliniken jedoch hĂ€ufig noch nicht fachgerecht durchgefĂŒhrt werden, weshalb Patienten bei entsprechender Zahlungskraft bevorzugt in NachbarlĂ€nder wie Argentinien und Chile reisen.
In der weltweiten COVID-19-Pandemie gab die Johns Hopkins University bis Februar 2023 fĂŒr Bolivien ĂŒber 22.300 TodesfĂ€lle an bei knapp 1,2 Millionen Infektionen, siehe auch COVID-19-Pandemie in Bolivien. Im Januar 2023 brach vor allem im östlichen Landesteil, vor allem im Departamento Santa Cruz, das Denguefieber aus und brachte die lokale Gesundheitsversorgung an seine Grenzen.
AuĂerdem leiden immer mehr kleinbĂ€uerliche Familien sowie die indigene Bevölkerung unter Armut und MangelernĂ€hrung: Durch illegalen Bergbau und Abholzung des Regenwalds fĂŒr den Palmen-, Avocado- und Soja-Anbau verlieren sie ihre Lebensgrundlage. Viele von ihnen ziehen in die StĂ€dte, wo sie keine Arbeit finden. Da industriell gefertigte Lebensmittel am kostengĂŒnstigsten sind, ernĂ€hren sie sich vor allem davon â diese sind jedoch hĂ€ufig nĂ€hrstoffarm, was zu Ăbergewicht fĂŒhrt.
Die Lebenserwartung der Einwohner Boliviens ab der Geburt lag 2022 bei 64,9 Jahren (Frauen: 67,9, MÀnner: 62,3). Nachdem die Lebenserwartung nach moderaten Anstiegen 2019 mit 67,8 Jahren einen Höhepunkt erreicht hatte, sank sie 2020 auf 64,5 Jahre.
Auf dem Gebiet des heutigen Bolivien bestanden verschiedene Kulturen, die wichtigste war die Tiwanaku-Zivilisation. Als die Spanier im 16. Jahrhundert das Land eroberten, wurde es Teil des Vizekönigreiches Peru und spĂ€ter Teil des Vizekönigreiches RĂo de la Plata. Ab dem 16. Jahrhundert beuteten die Spanier die Silberminen von PotosĂ aus.
Der Kampf um die UnabhĂ€ngigkeit begann 1809. Bolivien blieb jedoch spanische Kolonie, bis eine internationale UnabhĂ€ngigkeitsarmee unter Antonio JosĂ© de Sucre im Auftrag SimĂłn BolĂvars im Jahre 1825 die UnabhĂ€ngigkeit militĂ€risch durchsetzte, woraufhin das Land nach BolĂvar benannt wurde. Einer chaotischen Zwischenzeit folgte die PrĂ€sidentschaft von AndrĂ©s de Santa Cruz (1829â1839). In dieser wurde der Deutsche Otto Philipp Braun, ein Veteran des sĂŒdamerikanischen UnabhĂ€ngigkeitskrieges und des europĂ€ischen Befreiungskrieges, einer der wichtigsten militĂ€rischen und politischen StĂŒtzen der Regierung. Nach der Niederlage im Peruanisch-Bolivianischen Konföderationskrieg gegen Chile und Argentinien (1836â1839) zerfiel die Administration von Santa Cruz. Im Salpeterkrieg (1879â1883) verlor Bolivien groĂe Teile des seit der UnabhĂ€ngigkeit umstrittenen Territoriums mit Zugang zum Pazifik endgĂŒltig an Chile. Im Chacokrieg (1932â1935) verlor Bolivien groĂe Teile umstrittenen Gebiets im SĂŒden an Paraguay. In den folgenden Jahren begann der Niedergang aufgrund der Kriege und ökonomischer VerkĂ€ufe.
In der Zeit des Nationalsozialismus war Bolivien eine Zuflucht fĂŒr viele Juden aus Deutschland und Ăsterreich, nach dem Ende des Dritten Reiches und Beginn der NĂŒrnberger Prozesse auch fĂŒr deutsche und österreichische Nazi-Kriegsverbrecher.
Mitte der 1950er Jahre begannen deutschsprachige Russlandmennoniten aus Paraguay nach Bolivien auszuwandern. SpÀter kamen vor allem konservative Russlandmennoniten aus Mexiko, Kanada und Belize dazu. Im Jahre 2016 lebten etwa 70.000 Russlandmennoniten in Bolivien.
Mit ethnischen und kulturellen KĂ€mpfen konfrontiert, gab es in Bolivien Revolutionen und militĂ€rische Coups. Nach der erfolgreichen Revolution des Movimiento Nacionalista Revolucionario (MNR) im Jahr 1952 wurden 1953 Bildung und Erziehung ausgeweitet und das allgemeine aktive und passive Wahlrecht eingefĂŒhrt, das das Frauenwahlrecht einschloss. Eine MilitĂ€r-Junta wurde in den frĂŒhen 1980ern gestĂŒrzt, um eine Demokratie zu installieren.
Im Oktober 2003 kam es zu breiten Unruhen mit dem Charakter eines Volksaufstands, als Gewerkschaften gegen den Ausverkauf des wichtigen Bodenschatzes Erdgas an US-amerikanische Konzerne protestierten und Streiks organisierten. Dies stellte zugleich den Höhepunkt der teilweise gewaltsamen Proteste gegen die Reformen und Einsparungen im Staatshaushalt (im Rahmen der vom IWF geforderten MaĂnahmen zur Verringerung der Auslandsverschuldung) dar, die im Februar 2003 mit einem Polizeistreik begonnen hatten. Die Regierung setzte MilitĂ€r gegen die âRebellenâ ein; rund 60 Menschen kamen dabei ums Leben. Dies fĂŒhrte jedoch zur Solidarisierung weiterer Volksschichten mit den Demonstranten. Im Ergebnis musste PrĂ€sident Gonzalo SĂĄnchez de Lozada ins Exil in die USA gehen; ein Jahr spĂ€ter erhob das bolivianische Parlament Anklage gegen ihn. Durch den RĂŒcktritt Lozadas ging die PrĂ€sidentschaft auf den VizeprĂ€sidenten Carlos Mesa ĂŒber.
Im Januar 2005 versuchte ein BĂŒndnis politischer Gruppen, die Autonomie der rohstoffreichen Region Santa Cruz zu erlangen. Vorausgegangen waren Massenproteste wegen hoher Benzinpreise, bei denen die Verstaatlichung der Gas-Industrie gefordert wurde. Mehrere Institutionen, wie zum Beispiel die PrĂ€fektur, waren kurzzeitig von den Demonstranten besetzt.
Im Juni 2005 fĂŒhrten soziale Unruhen zum RĂŒcktritt von PrĂ€sident Carlos Mesa. Wochenlange Streiks und StraĂenblockaden zwangen ihn zu diesem Schritt, angesichts der Tatsache, dass die Versorgungslage in der Hauptstadt prekĂ€r wurde. Die Unruhen setzten sich fort, um zu verhindern, dass der PrĂ€sident des Senates, der konservative Hormando Vaca DĂez aus Santa Cruz, die PrĂ€sidentschaft verfassungsgemĂ€Ă ĂŒbernimmt. Die Blockade von La Paz zwang den Senat, in Sucre zusammenzutreten, um den RĂŒcktritt Carlos Mesas formell anzunehmen und seinen Nachfolger zu vereidigen. Die Proteste zwangen Vaca DĂez zum Verzicht auf seine Nachfolge, so dass das PrĂ€sidentenamt verfassungsgemÀà auf den PrĂ€sidenten des Obersten Gerichtshofes Eduardo RodrĂguez als ĂbergangsprĂ€sident ĂŒberging mit der MaĂgabe, Neuwahlen herbeizufĂŒhren. Diese sollten am 4. Dezember 2005 stattfinden. Innenpolitische MachtkĂ€mpfe verzögerten den Wahltermin. Hintergrund war ein Urteil des Verfassungsgerichts vom 22. September 2005, dass die Sitzverteilung im Parlament nicht mehr den aktuellen Bevölkerungszahlen der Departamentos entspreche und vor der Wahl eine Neuregelung (zugunsten der Departamentos Santa Cruz und Cochabamba) gefunden werden mĂŒsse. Nachdem sich das Parlament nicht auf eine Neuverteilung der Sitze einigen konnte, ordnete PrĂ€sident RodrĂguez am 1. November 2005 per Dekret eine Neuverteilung der Sitze an (La Paz â2, Oruro â1 und PotosĂ â1 zugunsten von Santa Cruz +3 und Cochabamba +1) und bestimmte den Wahltermin auf den 18. Dezember 2005.
Bei den PrĂ€sidentschaftswahlen im Dezember 2005 waren die beiden aussichtsreichsten Kandidaten der Kokabauer Evo Morales von der sozialistischen Partei âMovimiento al Socialismoâ, der als indigener Aymara die indigene Bevölkerungsmehrheit zu vereinen suchte, und der konservative WeiĂe Jorge Quiroga RamĂrez, der schon einmal PrĂ€sident gewesen war.
Am 18. Dezember 2005 wurde Morales mit 54 % der Stimmen zum PrĂ€sidenten gewĂ€hlt. Es war das erste Mal seit WiedereinfĂŒhrung der Demokratie im Jahre 1982, dass ein PrĂ€sidentschaftskandidat die absolute Mehrheit erreichte. Zudem wurde das Ergebnis ĂŒber die Landesgrenzen hinaus als historisches Momentum des Postkolonialismus interpretiert, da zum ersten Mal seit der spanischen Kolonisation im 16. Jahrhundert ein ReprĂ€sentant einer indigenen Nation zum PrĂ€sidenten eines sĂŒdamerikanischen Landes gewĂ€hlt wurde. Evo Morales Ă€uĂerte sich wĂ€hrend seines Wahlkampfes und in den Jahren seiner PrĂ€sidentschaft auch regelmĂ€Ăig in antikolonialer und antiimperialistische Weise. Eine wichtige SĂ€ule seiner antikolonialen Politik war die Wiedererlangung der wirtschaftlichen SouverĂ€nitĂ€t ĂŒber die Ressourcen des Landes. So verstaatlichte die Regierung im Mai 2006 alle Ăl- und Gasvorkommen des Landes und erlaubte kĂŒnftige Joint Ventures mit auslĂ€ndischen Unternehmen nur noch unter der Bedingung einer Mehrheitsbeteiligung (mind. 51 %) des bolivianischen Staatskonzerns YPFB.
WĂ€hrend Evo Moralesâ PrĂ€sidentschaft erlebte das Land einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Laut den statistischen Erhebungen der Weltbank vervierfachte sich das bolivianische Bruttoinlandsprodukt von 9,5 Mrd. Dollar 2005 auf 40,9 Mrd. 2019. Zugleich sank die Anzahl der in relativer Armut lebenden Menschen von 60 % auf 35 % im Jahr 2019. Diese Entwicklung lĂ€sst sich gröĂtenteils auf die sozialdemokratische Politik der Regierungspartei zurĂŒckfĂŒhren, die unter anderem weitreichende Arbeitsmarktreformen, Investitionen in Bildung und Gesundheit sowie die EinfĂŒhrung von Sozialsystemen beinhalteten. So wurde der Mindestlohn von 440 auf 2122 Bolivianos (2019) erhöht, was einer Lohnsteigerung von weit ĂŒber 300 % innerhalb von 15 Jahren entspricht. Allerdings muss hierbei differenziert werden, da die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung im informellen Sektor tĂ€tig ist und daher keinen staatlich garantierten Anspruch auf den Mindestlohn hat.
Im Jahr 2014 erklĂ€rte die UNESCO den Analphabetismus in Bolivien fĂŒr besiegt, da das Land die Quote der Menschen ohne Lese- und SchreibfĂ€higkeiten auf 3,8 % (4 % = UNESCO Mindeststandard) drĂŒcken konnte.
Bolivien gab sich 2009 nach einem zum Teil chaotischen Prozess eine neue Verfassung. HierfĂŒr wĂ€hlte das Volk am 2. Juli 2006 eine verfassunggebende Versammlung (Asamblea Constituyente) mit 255 Mitgliedern. Die linksgerichtete Partei MAS (Movimiento al Socialismo) von PrĂ€sident Evo Morales erreichte mit 134 Abgeordneten die absolute Mehrheit, verfehlte aber die fĂŒr die Verabschiedung der neuen Verfassung notwendige 2/3-Mehrheit. Eine gleichzeitig durchgefĂŒhrte Volksabstimmung ĂŒber die kĂŒnftige Staatsform lieferte kein klares Ergebnis, sondern zeigte die politische Spaltung des Landes. In den vier östlichen Departamentos des âMedia Lunaâ oder âOrienteâ (Pando, Beni, Santa Cruz und Tarija) stimmte die Bevölkerung fĂŒr die EinfĂŒhrung einer föderalen Staatsstruktur mit regionaler Autonomie, in den fĂŒnf westlichen Departamentos im Hochland (La Paz, Oruro, Cochabamba, Chuquisaca und PotosĂ) lehnte die Bevölkerung Autonomiebestrebungen ab und stimmte fĂŒr die Beibehaltung eines zentralistischen Staates. Ein zentraler Aspekt der Verfassung war die Anerkennung von Kultur und Sprache der 36 verschiedenen indigenen Ethnien des Landes. Aus diesem Grund wurde mit EinfĂŒhrung der neuen Verfassung der Name des Landes von âRepublik Bolivienâ in âPlurinationaler Staat Bolivienâ verĂ€ndert, um der heterogenen MultikulturalitĂ€t des Landes zu entsprechen. Der Verfassungsentwurf wurde am 25. Januar 2009 mit deutlicher Mehrheit vom bolivianischen Volk angenommen.
Evo Morales wurde bei den Wahlen 2009 mit weit ĂŒber 60 % wiedergewĂ€hlt und errang mit seiner Partei sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Bei der erneuten Wiederwahl 2014 war jedoch umstritten, ob Morales antreten dĂŒrfte. Die neue Verfassung erlaubte nur zwei Amtszeiten. Moralesâ Lager argumentierte, dass die Wahl von 2009 die Erstwahl (unter der neuen Verfassung) gewesen sei. Das nicht unabhĂ€ngige Verfassungsgericht erklĂ€rte jedoch eine erneute Kandidatur Moralesâ fĂŒr verfassungsgemĂ€Ă.
Eine VerfassungsĂ€nderung, die die unbegrenzte Wiederwahl des PrĂ€sidenten erlauben sollte und Morales eine Kandidatur auch 2019 ermöglichen sollte, wurde in einer Volksabstimmung 2016 abgelehnt. Trotzdem hob das Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional) am 28. November 2018 allgemein die Wirkung derjenigen Artikel der Verfassung auf, die der mehrfachen Wiederwahl eines AmtstrĂ€gers im Wege standen, und begrĂŒndete dies mit der Amerikanischen Menschenrechtskonvention, die in Art. 23 ohne EinschrĂ€nkung jedem BĂŒrger politische Rechte zusagt, einschlieĂlich der Bewerbung fĂŒr politische Ămter. Diese Entscheidung wurde fĂŒnf Jahre spĂ€ter zurĂŒckgenommen, nachdem der Interamerikanische Gerichtshof fĂŒr Menschenrechte in einem Rechtsgutachten fĂŒr Kolumbien klargestellt hatte, dass die Begrenzung von Amtszeiten kein VerstoĂ gegen Art. 23 sei.
Nach den PrĂ€sidentschaftswahlen von 2019 nahmen Moralesâ politische Gegner und das MilitĂ€r UnregelmĂ€Ăigkeiten bei der VerkĂŒndung der SchnellauszĂ€hlungsergebnisse zum Anlass, den RĂŒcktritt des PrĂ€sidenten zu fordern. Morales bot daraufhin Neuwahlen an. Einige Einheiten der Polizei weigerten sich, gegen Pro-Morales-Demonstranten vorzugehen. Um weitere Todesopfer zu verhindern, kamen Evo Morales und seine Kabinettsmitglieder den RĂŒcktrittsforderungen nach. Einige Beobachter werteten seinen erzwungenen RĂŒcktritt als Staatsstreich. Morales ging kurze Zeit spĂ€ter nach Mexiko ins Exil. Da viele Gefolgsleute Moralesâ ebenfalls zurĂŒckgetreten waren, wurde Jeanine Ăñez, zweite VizeprĂ€sidentin des Senats, InterimsprĂ€sidentin. WĂ€hrend ihrer PrĂ€sidentschaft gab es einen schweren Fall von Korruption innerhalb ihres Kabinetts, im Zuge dessen der Gesundheitsminister medizinische BeatmungsgerĂ€te zur Versorgung der bolivianischen Bevölkerung im Kampf gegen das Coronavirus zu ĂŒberhöhten Preisen bei gleichzeitig minderwertiger QualitĂ€t bei einem spanischen Unternehmen kaufte.
Im Oktober 2020 wurde zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres zur PrĂ€sidentschaftswahl in Bolivien aufgerufen. Hierbei gewann der linke Kandidat Luis Arce von der Partei Movimiento al Socialismo mit ĂŒber 55 % der Stimmen gegen die bis dato regierende InterimsprĂ€sidentin Jeanine Ăñez, den liberal-konservativen Ex-PrĂ€sidenten Carlos Mesa (28,8 %) und den rechtsradikalen Kandidaten Luis Fernando Camacho. Einen Monat spĂ€ter kehrte der ehemalige PrĂ€sident Morales aus dem Exil nach Bolivien zurĂŒck.
Ab Herbst 2022 kam es im Departamento Santa Cruz zu Protesten gegen die Regierung, initiiert durch Luis Fernando Camacho, der 2021 zum Gouverneur des Departamentos gewĂ€hlt worden war. Die Demonstranten protestierten gegen die Verschiebung des ursprĂŒnglich fĂŒr 2022 angesetzten neuen Zensus, von dem sie sich mehr öffentliche Gelder und Senatssitze fĂŒr Santa Cruz erhofften. Am 28. Dezember 2022 ordnete ein Gericht in La Paz eine sechsmonatige Untersuchungshaft fĂŒr Camacho im Zusammenhang mit dem Sturz der Regierung 2019 an. Daraufhin kam es erneut zu gewalttĂ€tigen Protesten seiner AnhĂ€nger und FlugausfĂ€llen am internationalen Flughafen Viru Viru.
Nachdem im Jahr 2006 der Energiesektor verstaatlicht worden war, waren die Einnahmen aus dem Energieexport stark angestiegen und in Sozialprogramme investiert worden. Jedoch wurde die Investition in die ErschlieĂung neuer LagerstĂ€tten vernachlĂ€ssigt und auslĂ€ndische Investitionen verringerten sich auf Grund von BefĂŒrchtungen vor eventuellen neuen Enteignungen internationaler Konzerne im Energiesektor. Dadurch sank die Gasförderung von 22 Mio. mÂł pro Tag im Jahr 2015 auf 15,4 Mio. mÂł im Jahr 2022 und Bolivien wurde im April 2022 zu einem Netto-Energieimporteur â im Jahr 2022 fĂŒhrte das Land Kohlenwasserstoffe fĂŒr 3,088 Mrd. US-Dollar aus, importierte Kraftstoffe im Wert von 4,066 Mrd. Dollar. Die fehlenden Export-Einnahmen gefĂ€hrden Beobachtern zufolge die FortfĂŒhrung der Sozialprogramme und Subventionen der Regierung Arce, die jedoch nicht darauf verzichten möchte, weil diese die Basis ihrer Politik sind. Die StaatsrĂŒcklagen sanken von 15,5 Mrd. auf ein historisches Minimum von 3,5 Mrd. US-Dollar.
Am 26. Juni 2024 scheiterte ein Putschversuch gegen die Regierung von Luis Arce. In La Paz hatten Soldaten den zentralen Plaza Murillo besetzt, an dem sich der Regierungspalast und der Kongress befinden. Sie versuchten, den Palast zu stĂŒrmen. Der mutmaĂliche AnfĂŒhrer der Putschisten, der kurz zuvor entlassene Armeechef Juan JosĂ© ZĂșñiga, warf der Regierung unter anderem eine âDemĂŒtigung des MilitĂ€rsâ vor. Arce rief die Bevölkerung zur Gegenwehr auf und ernannte eine neue militĂ€rische FĂŒhrung. Diese befahl den RĂŒckzug der Truppen. ZĂșñiga und einige weitere MilitĂ€rs wie der Vizeadmiral Juan Arnez Salvador wurden verhaftet. Auch Ex-General Edison Alejandro Irahola Caero wurde verhaftet.
An der Spitze der Zentralregierung mit Sitz in La Paz steht der fĂŒr fĂŒnf Jahre gewĂ€hlte PrĂ€sident. Er wird direkt vom Volk gewĂ€hlt und darf höchstens einmal wiedergewĂ€hlt werde. Nach der alten Verfassung vor 2009 war gar keine Wiederwahl erlaubt. Im Zuge der Annahme der neuen Verfassung im Jahr 2009 wurde die Republik in Plurinationaler Staat umbenannt, obwohl ein republikanisches PrĂ€sidialsystem beibehalten wurde. Gleichzeitig wurden Neuwahlen abgehalten, die Evo Morales, der seit dem 22. Januar 2006 PrĂ€sident war, gewann. Seine Kandidatur im Jahr 2014 fĂŒr eine dritte Amtsperiode war umstritten und wurde von der Opposition hart kritisiert. Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts erlaubte das Vorgehen allerdings, mit der BegrĂŒndung, dass es die erste Wiederwahl unter der neuen Verfassung sei. Somit konnte Evo Morales der am lĂ€ngsten regierende Staatschef Boliviens werden.
Das Regierungssystem wird laut neuer Verfassung (Artikel 11) als partizipative, reprĂ€sentative und gemeinschaftsorientierte Demokratie mit Gleichberechtigung fĂŒr MĂ€nner und Frauen beschrieben. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Rechten und der Kultur der indigenen Bevölkerung, einschlieĂlich der ihnen gleichgestellten Afrobolivianer. Die Verfassung gewĂ€hrt den BĂŒrgern Weltanschauungsfreiheit, der plurinationale Staat ist unabhĂ€ngig von Religion. Entsprechend der Verfassung wird beabsichtigt, die Autonomie der Departamentos, Regionen, Gemeinden und indigenen Territorien zu stĂ€rken und die Dezentralisierung voranzutreiben. Obwohl hier bereits viele institutionelle Fortschritte gemacht wurden, hat die Zentralregierung zum Stand 2015 noch ein deutliches MachtĂŒbergewicht gegenĂŒber den dezentralen Strukturen. Dies liegt zum Teil auch daran, dass zahlreiche Gebietskörperschaften ihre Autonomieverfassungen noch nicht ausgearbeitet und verabschiedet haben.
Die PrĂ€sidentschaftswahlen finden immer zusammen mit den Parlamentswahlen statt. Wenn bei der Wahl kein PrĂ€sidentschaftskandidat die erforderliche absolute Mehrheit erreicht (Regelfall), wird der PrĂ€sident mit einfacher Mehrheit vom neu gewĂ€hlten Parlament bestimmt. Wenn der PrĂ€sident sein Amt niederlegt oder stirbt, rĂŒckt der zusammen mit ihm gewĂ€hlte VizeprĂ€sident nach, der laut Verfassung auch den Vorsitz des Abgeordnetenhauses innehat. Falls dieser verhindert ist, geht das PrĂ€sidentenamt laut Artikel 169 der Verfassung auf den PrĂ€sidenten des Senats und dann auf den (neuen) PrĂ€sidenten der Abgeordnetenkammer ĂŒber. Im letzten Fall mĂŒssen innerhalb von 90 Tagen Neuwahlen angesetzt werden.
Der PrĂ€sident hat Ă€hnliche Machtbefugnisse wie seine Amtskollegen in Frankreich oder den USA. Er nimmt reprĂ€sentative Aufgaben wahr, bestimmt wesentlich die AuĂenpolitik und kann ĂŒber prĂ€sidentielle Dekrete auch Rechtsakte erlassen. Ihm unterstehen Staatsminister fĂŒr diverse Kompetenzbereiche, die zum Teil in Vizeministerien untergliedert sind. Die StreitkrĂ€fte hĂ€ngen ebenfalls vom PrĂ€sidenten ab, werden vom Verteidigungsministerium verwaltet und fachlich vom Obersten Kommandeur geleitet.
Das bolivianische Parlament, das seit der Verfassung von 2009 Plurinationale Legislative Versammlung (Asamblea Legislativa Plurinacional) genannt wird, besteht aus der Abgeordnetenkammer (CĂĄmara de Diputados) mit 130 Abgeordneten als Unterhaus und dem Senat (Senado) mit 36 Senatoren (vier aus jedem Departamento) als Oberhaus. Die Mitglieder beider Kammern werden fĂŒr je fĂŒnf Jahre gewĂ€hlt. Die Legislaturperiode ist an die des PrĂ€sidenten gekoppelt und kann kĂŒrzer sein, wenn eine vorzeitige Neuwahl des PrĂ€sidenten erfolgt.
Der Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo de Justicia) und das Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional Plurinacional) haben ihren Sitz in Sucre, der formellen Hauptstadt des Landes. Im Bereich Agrarumwelt wurde ein weiteres oberstes Gericht auf nationaler Ebene eingerichtet. AuĂerdem gibt es die obersten Gerichtshöfe der einzelnen Departamentos. FĂŒr indigene Angelegenheiten sind in bestimmten Regionen eigene Jurisdiktionen verantwortlich. Ein weiteres wichtiges Teilorgan ist schlieĂlich der Justizrat (Consejo de la Magistratura).
Das Plurinationale Wahlorgan (Ărgano Electoral Plurinacional) hat Verfassungsrang als unabhĂ€ngige Gewalt. Es besteht aus der Obersten Wahlleitung (Tribunal Supremo Electoral), den Wahlleitungen der Departamentos und weiteren untergeordneten Einrichtungen. Eine wichtige Aufgabe besteht in der FĂŒhrung des biometrischen WĂ€hlerverzeichnisses. AuĂerdem wurde dem Organ die Verantwortung fĂŒr das Ausweiswesen (SEGIP), das FĂŒhrerscheinwesen (SEGELIC) und die Funktionen der StandesĂ€mter (SERECI) ĂŒbertragen.
In Bolivien besteht Wahlpflicht, wahlberechtigt (und -verpflichtet) sind alle bolivianischen StaatsbĂŒrger, die sich am Wahltag im Land aufhalten und das Wahllokal an ihrem Wohnort erreichen können. Eine Stimmabgabe fĂŒr Bolivianer mit Wohnsitz im Ausland wurde fĂŒr die PrĂ€sidentschaftswahl 2014 erstmals ermöglicht. Die Teilnahme an den Wahlen wird nicht erzwungen, das unentschuldigte Fernbleiben kann jedoch indirekte Konsequenzen haben, da die öffentliche Hand bestimmte Leistungen (beispielsweise Rentenauszahlung) an die Vorlage einer Bescheinigung knĂŒpft, die die Teilnahme an der Wahl (oder ein entschuldigtes Fernbleiben) bestĂ€tigt.
Zu den bedeutenden autonomen Institutionen, die durch die neue Verfassung eingerichtet wurden, gehören die folgenden:
Parteien in Bolivien sind in der Regel eng mit ihrem GrĂŒnder verbunden und verlieren im Todesfall oder nach dessen Austritt oft stark an Bedeutung. Eine Ausnahme bildet die linksgerichtete Movimiento al Socialismo (MAS), die nach 13 Jahren Regierung (2006â2019) landesweit dauerhafte Strukturen etabliert hat. Dies ermöglichte ihr, den Wegfall von Evo Morales im Jahr 2019 zu kompensieren und 2020 die Macht zurĂŒckzugewinnen.
Daneben besteht in den meisten FĂ€llen keine klare Positionierung im politischen Spektrum. In der Regel bewegen sie sich allerdings innerhalb der Bandbreite von sozialdemokratisch, konservativ und rechtsliberal. Extreme Gruppierungen kommen fast nur als FlĂŒgel innerhalb der Parteien vor. Hier sind beispielsweise Teile der MAS zu nennen, die marxistisch-leninistische Positionen vertreten, sowie marktliberale und christlich-fundamentale KrĂ€fte innerhalb der Oppositionsparteien. Seit einigen Jahren entwickeln sich vor allem auf regionaler Ebene auch Umweltschutzparteien, die jedoch noch wenig RĂŒckhalt in der Bevölkerung genieĂen.
Bedeutende Oppositionsparteien der letzten Jahre sind die folgenden:
Bolivien gab 2017 knapp 1,8 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 657 Mio. US-Dollar fĂŒr seine StreitkrĂ€fte aus.
Angesichts seiner gesellschaftlichen und geographischen HeterogenitĂ€t sowie der zentralen Lage in SĂŒdamerika hat Bolivien ein groĂes Interesse an einer tieferen Integration mit seinen Nachbarstaaten, sowohl in Richtung Anden, als auch in Richtung Amazonasbecken und ParanĂĄ-Becken.
Bolivien gehört zur 1969 gegrĂŒndeten Andengemeinschaft, die seit 1995 eine Freihandelszone zwischen den Mitgliedsstaaten aufgebaut hat. WĂ€hrend der Regierungszeit von Hugo ChĂĄvez bestand eine sehr enge Bindung der Regierung Morales mit Venezuela, die sich auch durch die Mitgliedschaft in der Bolivarianischen Allianz fĂŒr Amerika ALBA ab 2004 ausdrĂŒckte. Die Union SĂŒdamerikanischer Nationen (Unasur) wurde 2008 gegrĂŒndet, um die politische Integration SĂŒdamerikas voranzutreiben. Der Sitz der Mitgliederversammlung (Centro de Convenciones) war in einem 2018 eingeweihten GebĂ€ude bei Cochabamba vorgesehen. In Folge von politischen UmschwĂŒngen in Lateinamerika verlor die UNASUR jedoch an Bedeutung zugunsten der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC), in der Bolivien ebenfalls mitwirkt. Daneben wurde im Jahr 2023 die lange angestrebte Vollmitgliedschaft im Mercosur bestĂ€tigt.
Bolivien ist in neun Departamentos aufgeteilt:
Da Bolivien weiterhin Anspruch auf die chilenische RegiĂłn de Antofagasta erhebt, wird diese als zehntes Departamento Litoral bezeichnet.
Die laut neuer Verfassung von 2009 autonomen Departamentos werden von einem Gouverneur (Gobernador) regiert. Zuvor standen den Departamentos PrĂ€fekten vor, die bis 2005 vom PrĂ€sidenten ernannt wurden, bevor sie am 18. Dezember 2005 zum ersten und einzigen Mal vom Volk gewĂ€hlt wurden, als ZugestĂ€ndnis an Autonomiebestrebungen. FĂŒnf Jahre spĂ€ter fanden die ersten sub-nationalen Wahlen statt, bei denen gleichzeitig die Gouverneure, die Sub-Gouverneure (Subgobernador oder Ejecutivo Seccional), die BĂŒrgermeister und die Parlamente (Asamblea Legislativa Departamental) gewĂ€hlt wurden.
Die Departamentos gliedern sich ihrerseits in insgesamt 112 Provinzen (Provincias), die vom jeweils gewÀhlten Sub-Gouverneur verwaltet und gestaltet werden. Die Provinzen sind wiederum in 339 autonome Municipios untergliedert. Municipios umfassen eine Reihe von Ortschaften und gliedern sich weiterhin in Distrikte (zuvor Kantone).
Municipios und Provinzen, die eine in gewisser Weise homogene Struktur aufweisen, können sich optional zu einer Autonomen Region zusammenschlieĂen. Daneben können indigene Gemeinschaften im lĂ€ndlichen Raum Autonome Indigenengebiete (Territorios indĂgena originario campesinos) bilden. Das erste autonome Gebiet entstand 2017 im Municipio Charagua.
Die Interessen der Municipios gegenĂŒber den Ebenen Departamento und Staat werden ĂŒber VerbĂ€nde verteidigt, die im Dachverband FederaciĂłn de Asociaciones Municipales de Bolivia (FAM â Bolivia) organisiert und institutionalisiert sind. HierfĂŒr können Municipios auch so genannte Mancomunidades bilden, eine Art kommunaler Zweckverband.
Auf kommunaler Ebene gibt es gewĂ€hlte BĂŒrgermeister (Alcaldes), in gröĂeren StĂ€dten und Gemeinden auch einen gewĂ€hlten Stadtrat (Consejo municipal).
Trotz seines Reichtums an BodenschĂ€tzen (frĂŒher vor allem Silber und Zinn) war Bolivien fĂŒr lange Zeit das Ă€rmste und exportschwĂ€chste Land SĂŒdamerikas, sein nominales Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner betrug im Jahre 2023 11.028 US-Dollar pro Kopf.
Seit die Erdgasindustrie nach der RegierungsĂŒbernahme von Evo Morales erfolgreich verstaatlicht wurde, konnten die Staatseinnahmen erheblich gesteigert werden. Zeitgleich wurden auch die Zoll- und Steuerbehörden gestĂ€rkt, sodass auch von dieser Seite her ein Vielfaches an Einnahmen dem Staat zugehen. Die Exporte wurden im Zeitraum 2000â2013 etwa verzehnfacht, die extreme Armut konnte stark reduziert werden und damit auch die Ungleichheit. Durch das im Vergleich mit den meisten LĂ€ndern der Region höhere Wachstum und die stabile Geldpolitik erreicht die Bevölkerung Boliviens heute (Stand 2015) einen Lebensstandard, der mit vielen anderen LĂ€ndern der Region vergleichbar ist.
Ein zwischenzeitlich bedeutender Faktor war auch der Handelsvertrag der Völker (span.: Tratado de Comercio de los Pueblos (TCP)), der am 29. April 2006 von den PrĂ€sidenten der LĂ€nder Bolivien, Venezuela und Kuba unterzeichnet wurde. In diesem Vertrag verpflichten sich Venezuela und Kuba, bolivianische Sojabohnen zu kaufen und Bolivien in seinen Programmen zur Alphabetisierung und Gesundheitsversorgung und bei der Errichtung einer nationalen bolivianischen Fluggesellschaft zu unterstĂŒtzen. WĂ€hrend der PrĂ€sidentschaft von Evo Morales pflegten diese drei LĂ€nder enge wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen.
Die 2009 angenommene neue Verfassung (s. o.) sieht ein neues, âpluralistischesâ Wirtschaftsmodell fĂŒr Bolivien vor. Laut Verfassungstext strebt das Land ein gemischtes Modell aus staatlicher, gemein- und privatwirtschaftlicher Ăkonomie mit sozialer Kontrolle an. Neben starken keynesianistischen Elementen enthĂ€lt das Modell Nachhaltigkeits-Elemente aus dem indigenen Denken.
Aus regionaler Sicht kann man in Bolivien eine multipolare Struktur erkennen. Santa Cruz bildet traditionell das industriell am weitesten fortgeschrittene Zentrum â lediglich die aufstrebende Doppelmetropole La Paz/El Alto weist eine Ă€hnlich hohe AktivitĂ€t auf. Im SĂŒden liegt der Fokus der fĂŒr das Land so wichtigen Erdgasförderung. Das Karnevalszentrum Oruro ist ein bedeutender Umschlagplatz fĂŒr Importwaren, in seiner Umgebung befinden sich die gröĂten Bergbaustandorte. Ein gern gewĂ€hlter Ort fĂŒr internationale GroĂveranstaltungen ist schlieĂlich das zentral und auch klimatisch gĂŒnstig gelegene Cochabamba.
Im Global Competitiveness Index, der die WettbewerbsfĂ€higkeit eines Landes misst, belegte Bolivien Platz 121 von 138 LĂ€ndern (Stand 2016â2017). Der Index fĂŒr wirtschaftliche Freiheit 2024 des Landes war der 165 höchste von 176 LĂ€ndern.
Die Bruttowertschöpfung entfiel 2021 zu 14 % auf die Land- und Forstwirtschaft, zu 29,3 % auf das produzierende Gewerbe und zu 56,3 % auf Dienstleistungen. Hingegen arbeiteten 27,6 % der ErwerbstÀtigen in der Land- und Forstwirtschaft, nur 20,4 % im produzierenden Gewerbe und 51,9 % im Dienstleistungsgewerbe. Die Zahl der informell BeschÀftigten liegt bei ca. 80 %. HauptexportlÀnder waren 2022 Brasilien (13,1 %) Argentinien 9,4 % und Japan 8,3 %. Die Importe kamen u. a. aus China (20,5 %), Brasilien (17,7 %) und Argentinien (13,2 %).
Ein relativ groĂer Teil der Bevölkerung ist nach wie vor in der Landwirtschaft beschĂ€ftigt. Nur im tropischen Tiefland im Osten gibt es einigermaĂen moderne Betriebe, im Altiplano mit seinen klimatisch ungĂŒnstigen Anbaubedingungen und bei den indigenen Gemeinschaften des Landes hingegen wird traditionell auf Subsistenz-Basis angebaut. Zudem existiert in der trockenen Punaregion eine extensive Fernweidewirtschaft mit Alpakas, die der Transhumanz der alten Welt sehr Ă€hnlich ist. Die Nachfrage nach Alpakawolle fĂŒhrt zu einer stĂ€rkeren Marktorientierung der Weidewirtschaft und in der Folge zu VerĂ€nderungen der Viehzucht-Technologien und der Wanderzyklen. Eine verstĂ€rkte Nutzung kann allerdings das fragile Ăkosystem gefĂ€hrden. Dies trifft auch auf die groĂen Anstrengungen des bolivianischen Staates zu, der versucht, die Subsistenzbauern in die Marktwirtschaft zu integrieren, da damit immer eine Intensivierung des Anbaus verbunden ist. Mit staatlicher UnterstĂŒtzung wird die ExportfĂ€higkeit von Erzeugnissen wie Quinoa, Paranuss und Kakao vorangetrieben. Auf der anderen Seite wird mit der Förderung des Weizenanbaus der Importbedarf von Weizenmehl gesenkt.
Der kontrovers diskutierte Koka-Anbau bleibt nach wie vor einer der Hauptwirtschaftszweige des Landes, vor allem in den Regionen Yungas und Chapare. Von Seiten der USA wird er zu unterbinden versucht, doch ist dabei zu bedenken, dass Coca nicht nur ein Rohstoff fĂŒr Kokain ist, sondern von der Bevölkerung der gesamten Andenregion als Heilungs- und Genussmittel genutzt wird, ob als Tee (mate de coca) oder zum Kauen. Um den Koka-Anbau ist ein heftiger Streit zwischen der Regierung und den Kokabauern entbrannt, der mit zu der chaotischen politischen Situation 2002â2003 fĂŒhrte. Der langjĂ€hrige PrĂ€sident Evo Morales ist ein AnfĂŒhrer der Cocalero-(Kokabauern-)Bewegung.
Von der Kolonialzeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war die bolivianische Wirtschaft vor allem durch den Bergbau (Abbauprodukte Silber und Zinn) gekennzeichnet. Durch den Verfall der Rohstoffpreise in der zweiten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts und durch die zunehmende Erschöpfung der Rohstoffquellen sind die Erlöse aus dem Bergbau drastisch zurĂŒckgegangen und viele Bergleute entlassen worden. Möglicherweise könnte der Bergbau seine Bedeutung jedoch mit der ErschlieĂung der Region âEl MutĂșnâ (Eisenerz) wiedererlangen und noch viel mehr durch Lithiumvorkommen. Mit der Wiederbelebung des Bergbaus befasst sich die geowissenschaftliche Behörde des Landes, der Servicio GeolĂłgico Minero.
Der im SĂŒdwesten Boliviens gelegene Salzsee Salar de Uyuni beherbergt mit geschĂ€tzten 46,5 Millionen Tonnen abbaubaren Vorkommens an Lithium das derzeit weltweit gröĂte bekannte Vorkommen dieses Leichtmetalls. Das staatliche Bergbauunternehmen COMIBOL begann im Mai 2008 mit dem Bau einer Pilotanlage zur Förderung und Verarbeitung der Lithium enthaltenen mineralischen Rohstoffe. Wegen der zunehmenden Herstellung von Lithium-Ionen-Akkumulatoren wird Lithium ein Nachfrageboom vorhergesagt.
Der damalige PrĂ€sident Evo Morales hat um 2008 verhindert, dass ein auslĂ€ndisches Unternehmen die SchĂŒrfrechte erhĂ€lt und das Lithiumkonzentrat exportiert. Am 30. April 2021 verlautete PrĂ€sident Luis Arce und der Staatskonzern Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB), dass bis 2025 die Förderung und industrielle Verarbeitung stark entwickelt werden soll.
Von mittlerweile ĂŒberragender Bedeutung fĂŒr Bolivien ist die Förderung von Energierohstoffen. Bolivien verfĂŒgt ĂŒber SĂŒdamerikas drittgröĂte Erdgasreserven, wobei die meisten LagerstĂ€tten in den sĂŒdlichen Departamentos Tarija und Chuquisaca liegen. Die im Jahr 2013 zertifizierten Reserven reichen bei einer Beibehaltung der aktuellen FörderkapazitĂ€t bis zum Jahr 2025. Aufgrund intensiver ExplorationstĂ€tigkeit in Kooperation mit internationalen Konzernen wie Total, Repsol, BG Group und Petrobras wird mit einer erheblichen Ausweitung dieser Reserven gerechnet. Auch in den Departamentos von Santa Cruz, Cochabamba und La Paz werden LagerstĂ€tten gesucht. Rund 80 Prozent des geförderten Erdgases wird exportiert, ĂŒberwiegend nach Brasilien und Argentinien. Nach der Privatisierung wichtiger Industrien unter dem Ley de CapitalizaciĂłn von 1994 hat die neue Regierung unter PrĂ€sident Evo Morales 2006 die âSouverĂ€nitĂ€t des bolivianischen Volkes ĂŒber seine wichtigsten Ressourcenâ wiederhergestellt, indem den im Land tĂ€tigen erdgasfördernden und -verarbeitenden Unternehmen die Verpflichtung zu Neuverhandlungen mit dem staatlichen YPFB (Yacimientos PetrolĂferos Fiscales Bolivianos) auferlegt wurde. Mit der Unterzeichnung aller neu auszuhandelnden VertrĂ€ge im Dezember 2006 kontrolliert die Regierung Boliviens jetzt die Erdgasreserven des Landes sowie die dort operierenden auslĂ€ndischen Unternehmen. Laut der neuen Verfassung von 2009 hat YPFB das Monopol bei den fossilen Brennstoffen, von der Förderung bis zur Vermarktung, darf aber in bestimmten Bereichen Gemeinschaftsunternehmen eingehen, wobei YPFB immer mindestens 51 Prozent der Anteile halten muss.
Bis etwa 2008 war Bolivien ein Netto-Exporteur von kleinen Mengen Erdöl und Ălprodukten. Das Land muss jedoch seither steigende Mengen an raffinierten Ălprodukten (Benzin, Diesel, Kerosin etc.) importieren, da die eigenen RaffineriekapazitĂ€ten noch zu gering sind und der Verbrauch stark steigt. Allerdings hat YPFB ein Investitionsprogramm gestartet, dass zu einer Deckung des Benzinbedarfs ab 2016 fĂŒhren soll und auch die ImportabhĂ€ngigkeit bezĂŒglich Diesel wieder reduzieren wird. Zudem wird weiter in die KapazitĂ€ten fĂŒr FlĂŒssiggas investiert, die vor allem fĂŒr den inlĂ€ndischen Konsum benötigt werden.
Im Jahre 2012 lag Bolivien bzgl. der jÀhrlichen Erzeugung mit 6,944 Mrd. kWh an Stelle 102 und bzgl. der installierten Leistung mit 1.365 MW an Stelle 119 in der Welt. Die installierte Leistung lag 2011 bei 1.221 MW, davon entfielen auf kalorische Kraftwerke 745 MW und auf Wasserkraftwerke 475 MW. Der Stromverbrauch stieg von 2,7 Mrd. kWh im Jahre 1996 auf 6,2 Mrd. kWh im Jahre 2011. Bis 2022 soll sich der Stromverbrauch auf 13,7 Mrd. kWh erhöhen.
Die Netzfrequenz in Bolivien betrĂ€gt 50 Hz. Neben dem staatlichen Stromversorger Empresa Nacional de Electricidad (ENDE) gibt es eine Reihe weiterer Stromerzeuger, mehrere Verteilnetzbetreiber sowie drei Ăbertragungsnetzbetreiber. In Bolivien existiert ein Verbundnetz, das Sistema Interconectado Nacional (SIN) sowie diverse Inselnetze. Die ErzeugungskapazitĂ€t der Inselnetze lag 2013 bei 179 MW. Bis 2025 sollen eine Reihe von Inselnetzen an das SIN angeschlossen werden.
Im Jahre 2001 waren 64 % der Bevölkerung an das Stromnetz angeschlossen (89 % der StÀdter, aber nur 25 % der Landbevölkerung). Bis 2010 stiegen diese Werte auf 77 % (90 % Stadt, 53 % Land). Bis zum Jahre 2025 sollen dann alle Einwohner Boliviens Zugang zum Stromnetz haben.
Es gibt ehrgeizige PlĂ€ne, das Wasserkraft-Energieversorgungssystem an diversen FlĂŒssen Boliviens auszubauen, um den ĂŒberschĂŒssigen Strom zu exportieren. Das Wasserkraftpotenzial wird auf 20.000 MW geschĂ€tzt. Am RĂo Beni ist z. B. das Kraftwerk El Bala mit 1600â4000 MW geplant.
Der PrÀsident Boliviens, Evo Morales, beabsichtigt auf lÀngere Sicht auch die Nutzung der Kernenergie. 2015 wurde eine Vereinbarung zwischen der russischen ROSATOM und Bolivien unterzeichnet, die eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet vorsieht. Ab 2016 soll zunÀchst ein Forschungszentrum in El Alto errichtet werden.
Die Industrie ist wenig entwickelt, Hauptindustriezweige sind die Lebensmittelindustrie und die Metallverarbeitung. Das Handwerk und die einfache Werkstattfertigung spielt vielerorts noch eine wichtige Rolle. Dank der Vervielfachung des Staatshaushalts seit den Verstaatlichungen ab 2006 konnten jedoch eine Reihe von gröĂeren Industrieprojekten auf den Weg gebracht werden, darunter eine Computer-Montage, eine Petrochemie-Fabrik und ein Hersteller von Kartonagen.
Private Investitionen in industrielle Anlagen bestehen allerdings nur in relativ geringem Umfang. Diese zielen eher auf Kleinbetriebe, Dienstleister und die Beteiligung an der Ausbeutung der natĂŒrlichen Rohstoffe.
Daneben wird von staatlicher Seite versucht, aus dem vielfĂ€ltigen Schatz an Naturheilmitteln und wilden FrĂŒchten Kapital zu schlagen. So hofft Bolivien beispielsweise, ĂŒber die industrielle Herstellung von Koka-Nutzprodukten auch auslĂ€ndische MĂ€rkte zu erobern. Der fĂŒr die Amazonas-Region wichtigen Paranuss wurde beispielsweise durch gezielte Investitionen erfolgreich wieder zur ExportfĂ€higkeit verholfen und gleichzeitig die Weiterverarbeitung vor Ort gesichert.
Der Tourismus hat in den letzten Jahren zwar einen hohen Zuwachs erfahren, ist aber trotzdem nur von geringer Bedeutung. WĂ€hrend im Jahr 2004 gerade einmal 367.000 auslĂ€ndische Besucher ins Land kamen, waren es 2023 fast eine Million. Die meisten Touristen reisen in die Hauptstadt, an den Titicacasee und zum Salar de Uyuni â nur etwa 10 % der Touristen entfallen auf die weite Ebene des Amazonasbeckens mit ihren 21 bolivianischen Nationalparks. Dazu zĂ€hlt der Nationalpark Noel Kempff Mercado, seit dem Jahr 2000 zum Weltnaturerbe der UNESCO erklĂ€rt. Um diese und viele andere Schönheiten des Landes zu erhalten, haben sich eine Vielzahl von internationalen und nationalen Organisationen zum Erhalt von Lebensraum und Artenvielfalt gebildet.
Die landschaftliche Schönheit des Altiplano, aber auch der Amazonasregion, werden von immer mehr AuslĂ€ndern geschĂ€tzt. Die Einheimischen sind in der Regel sehr heimatverbunden und reisen, wenn ĂŒberhaupt, eher aus familiĂ€ren, gesundheitlichen oder behördlichen Motiven, da Angestellte in Bolivien sehr wenige Urlaubstage haben und ein GroĂteil der Bevölkerung sich keinen Urlaub leisten kann. Massentourismus gibt es also kaum.
Hauptziele des Tourismus sind:
Ein jĂ€hrliches Ereignis mit internationaler Beachtung ist der bolivianische Karneval, mit dem Karneval von Oruro als bedeutendster Veranstaltung. Die Hauptstadt Sucre ist als âweiĂe Stadtâ, fĂŒr ihr gemĂŒtliches Flair und fĂŒr ihr angenehmes Klima bekannt; die Stadt ist beliebt zum Spanisch lernen: es gibt zahlreiche Sprachschulen, in denen Intensivspanischkurse stattfinden. FĂŒr Fotografen und Naturliebhaber gibt es eine Reihe weiterer hochwertiger Ziele, darunter Tupiza (eine in einer vielfarbigen Gebirgslandschaft gelegene Kleinstadt im SĂŒden), die Yungas und das Naturreservat Cordillera de Sama. Etwas abgelegen aber von groĂes Bedeutung ist die InkastĂ€tte Fuerte de Samaipata. Bei Touristen aus dem Inland und dem Norden Argentiniens ist das Valle Central de Tarija aufgrund der zahlreichen Weinkellereien beliebt.
Die touristische Infrastruktur ist in den meisten FĂ€llen gut, die Preise vor allem fĂŒr EuropĂ€er sehr niedrig. In den gröĂeren StĂ€dten besteht eine gute Auswahl an gĂŒnstigen und gehobenen Hotels, in KleinstĂ€dten muss hingegen hĂ€ufig auf einfachere UnterkĂŒnfte zurĂŒckgegriffen werden. DarĂŒber hinaus gibt es Bestrebungen, den Gemeinschaftstourismus (turismo comunitario) zu fördern, wo Besucher die regionale Kultur und Natur besonders hautnah erleben können, etwa in der Chiquitania bei Santa Cruz oder in San Pedro de Sola bei Tarija.
Bolivien hat sich aufgrund der einzigartigen Kultur und Natur zu einem Reiseland fĂŒr Rucksacktouristen entwickelt. Die KriminalitĂ€tsrate im Land ist im Vergleich zu denen anderer sĂŒdamerikanischer Staaten sehr niedrig, es kommt jedoch gelegentlich zu ĂberfĂ€llen auf Touristen unter anderem durch falsche Taxifahrer und angebliche Polizisten.
Der konsolidierte Staatshaushalt von Bolivien ist seit der RegierungsĂŒbernahme durch Evo Morales stark ausgeweitet worden. WĂ€hrend er im Jahr 2006 noch etwa 5,8 Mrd. US-Dollar betrug waren es im Jahr 2014 bereits 28,1 Mrd. US-Dollar. Dabei gelang es der Regierung, regelmĂ€Ăig ĂberschĂŒsse zu erzielen. Die zusĂ€tzlichen Mittel wurden primĂ€r in die Sektoren Bildung und Gesundheit geleitet, aber auch Infrastruktur (Stromnetze, Gas-Pipelines, Wasserversorgung, StraĂen), sozialer Wohnungsbau, Industrialisierung und Verteidigung waren wichtige Themen. Die Finanzierung durch auslĂ€ndische Geldgeber hat demgegenĂŒber stark an Bedeutung verloren. Sie lag 2005 noch bei 8 Prozent und verringerte sich ĂŒber die Jahre auf unter 2 Prozent. Die Staatsverschuldung betrug im Jahr 2022 82,6 % des BIP.
2020 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:
Die WĂ€hrungsreserven Boliviens, also der kumulierte LeistungsbilanzĂŒberschuss des Landes, ist seit dem Jahr 2005 auf nahezu das Zehnfache angestiegen und betrug 15,3 Mrd. US$ im Jahr 2014 (zum Vergleich: Deutschland 196,8 Mrd. US$; Schweiz 530,9 Mrd. US$; USA 138,1 Mrd. US$). Im VerhĂ€ltnis zum Bruttoinlandsprodukt liegt Bolivien damit auf einem sehr hohen Niveau und hat damit ein starkes Instrument, um wirtschaftliche SchwĂ€chephasen abzufedern. Im Jahr 2015 musste auf einen Teil der Reserven zurĂŒckgegriffen werden, um trotz des Ălpreisverfalls weiteres Wirtschaftswachstum zu stimulieren. Bis 2022 wurden ein groĂer Teil der WĂ€hrungsreserven aufgebraucht, zu diesem Zeitpunkt lagen sie noch bei knapp 3,8 Mrd. US$. Im Verlauf des Jahres 2023 sanken sie im Rahmen einer WĂ€hrungskrise auf unter 500 Millionen US$.
Im Logistics Performance Index, der von der Weltbank erstellt wird und die QualitĂ€t der Infrastruktur misst, belegte Bolivien 2018 den 131. Platz unter 160 LĂ€ndern. Der groĂe Teil des groĂen und dĂŒnn besiedelten Landes ist nur schlecht erschlossen.
85 % des gesamten Waren- und Personenverkehrs des Landes spielen sich auf dem zu zwei Dritteln unbefestigten StraĂennetz Boliviens ab. Auf dem sĂŒdamerikanischen Kontinent, der im Vergleich zu anderen Weltregionen einen gravierenden Mangel an Infrastruktur aufweist, nimmt Bolivien damit einen der letzten PlĂ€tze bezĂŒglich des VerhĂ€ltnisses FlĂ€che/StraĂenkilometer ein. Bis 2001 waren nur fĂŒnf Prozent der StraĂen asphaltiert oder betoniert und die restlichen StraĂen geschottert. Mittlerweile wird jedoch der StraĂenausbau deutlich vorangetrieben und fast alle StraĂen zwischen den groĂen StĂ€dten sind vollstĂ€ndig asphaltiert. Das gesamte StraĂennetz umfasste 2010 etwa 80.488 km, wovon 9.792 km asphaltiert sind. Zwischen La Paz und Oruro wurde im Februar 2015 die erste vierspurige ĂberlandstraĂe eröffnet. Durch die geographischen Gegebenheiten kommt es jedoch hĂ€ufig zu SteinabgĂ€ngen, da viele Strecken, vor allem in den bergigen Regionen, an groĂen Bergen oder Felsen entlanglaufen. Da das Klima vor allem im Tiefland durch ausgedehnte Regenzeiten gekennzeichnet ist, kann es zu Schlammlawinen kommen oder können StraĂen vollstĂ€ndig ĂŒberflutet werden. RegelmĂ€Ăig kommt es wegen mangelhafter StraĂenqualitĂ€t zu schweren VerkehrsunfĂ€llen. DarĂŒber hinaus ist die Versorgung mit Kraftstoff in vielen Teilen des Landes recht schwierig. So gibt es abseits der groĂen StĂ€dte oftmals nur an wenigen Tagen in der Woche Benzin oder Diesel, wobei oft auch die Abgabemenge limitiert wird. Der nationale Einheitspreis fĂŒr die beiden verfĂŒgbaren Kraftstoffsorten lag im August 2012 fĂŒr einheimische Fahrzeuge bei 3,73 BOB/Liter bzw. umgerechnet bei ca. 0,43 âŹ/Liter. Da der Kraftstoff staatlich subventioniert ist, wird bei Fahrzeugen mit auslĂ€ndischem Kennzeichen deutlich mehr verlangt.
Der Bahnverkehr des Landes wird auf eingleisigen Strecken in Meterspur mit einer GesamtlĂ€nge von 3700 km abgewickelt und entspricht noch weniger als das StraĂennetz den Anforderungen einer modernen Infrastruktur.
Das Schienennetz ist zweigeteilt und gehört zwei Betreibern:
Mit der geplanten SĂŒdamerikanischen Transkontinentalbahn soll ĂŒber bolivianisches Territorium ein Eisenbahnkorridor von der peruanischen PazifikkĂŒste zur brasilianischen AtlantikkĂŒste gebaut werden, der sowohl den Personen- als auch den Warenverkehr auf der wichtigen West-Ost-Achse erleichtern soll. Damit werden die beiden bolivianischen Streckennetze erstmals verbunden.
Die Stadtbahn Cochabamba nahm 2022 den Betrieb auf.
Siehe auch: Geschichte der Eisenbahn in Bolivien
Die Binnenschifffahrt des Landes beschrĂ€nkt sich mit einer Ausnahme auf das bolivianische Tiefland, wo die groĂen Flusssysteme in einer GesamtlĂ€nge von etwa 5600 km befahrbar sind:
Ăber vier BinnenhĂ€fen Puerto Aguirre, Puerto Gravetal, Puerto SuĂĄrez und Puerto Busch hat Bolivien, ĂŒber die internationalen FlĂŒsse Paraguay und ParanĂĄ Zugang zum Atlantik.
Der Luftverkehr Boliviens wird unter anderem von folgenden Fluggesellschaften bedient:
Die wichtigsten der 37 bolivianischen FlughĂ€fen sind der Flughafen La Paz/El Alto, der Flughafen Santa Cruz, der Flughafen Cochabamba und der 2016 eröffnete Flughafen AlcantarĂ in Sucre. FĂŒr einen Ăberblick siehe hierzu auch die Liste von FlugplĂ€tzen in Bolivien.
Nicht mehr aktiv sind die folgenden Fluggesellschaften:
Mit dem Start des ersten bolivianischen Kommunikationssatelliten Tupac Katari am 20. Dezember 2013 vom chinesischen Kosmodrom Xichang ist Bolivien das achte Land in SĂŒdamerika mit eigenem Weltraumapparat. Profitieren sollen von der Weltraumtechnik vor allem Bewohner auf dem Land. In entlegenen Gegenden und schwierigem GelĂ€nde haben viele Gemeinden weder Telefon, Radio noch Fernsehen. Die Bodenstationen zur Steuerung durch Boliviens Raumfahrtbehörde ABE sind in El Alto bei La Paz und in der Ortschaft La Guardia im Tieflanddepartamento Santa Cruz.
Die bolivianische Kultur reflektiert die Vielfalt der 35 Ethnien des Landes, die unter den unterschiedlichsten klimatischen und wirtschaftlichen Bedingungen leben und entsprechend unterschiedliche Mythen, Riten, Textilien, Rhythmen und TĂ€nze entwickelt haben.
In Bolivien garantiert die Verfassung die Pressefreiheit. Da die meisten Medienunternehmen des Landes eher dem liberal-konservativen Spektrum zugeordnet werden können, stehen sie tendenziell in Opposition zur Regierung der MAS. Deshalb kommt es gelegentlich zum verbalen Schlagabtausch zwischen Regierungsvertretern und Medien, sodass kritischer Journalismus in sensiblen Bereichen etwas zurĂŒckgedrĂ€ngt wurde. Insgesamt verfĂŒgt Bolivien aber weiterhin ĂŒber eine lebendige Medienlandschaft. In jeder gröĂeren Stadt gibt es mehrere Tageszeitungen und eine Reihe von Lokalrundfunkstationen. In Bolivien senden 48 TV-Stationen, 73 UKW- und 171 AM-Radio-Stationen.
Einige Zeitungen und Fernsehsender haben auch ĂŒberregionale Verbreitung, darunter die BlĂ€tter La RazĂłn, PĂĄgina Siete, Los Tiempos, OpiniĂłn und El Deber. Allerdings ist die Auflage der jeweiligen BlĂ€tter vergleichsweise gering, da Vertriebs- und Infrastrukturprobleme zu prozentual wenigen Lesern fĂŒhren.
Landesweit senden die TV-Sender ATB, Unitel und PAT. Neben den groĂen Sendern existieren Unmengen kleiner TV-Stationen, darunter werden 8 von UniversitĂ€ten betrieben.
Charakteristisch ist der rege Einsatz von Reportern, die Vertreter von öffentlichen Institutionen, Parteien, VerbĂ€nden usw. zeitnah zu aktuellen Themen befragen. Zeitungen verfĂŒgen auch meist ĂŒber einen mehrseitigen Meinungsteil mit kritischen Stellungnahmen. Der Vertrieb erfolgt ĂŒberwiegend ĂŒber StraĂenverkĂ€ufer; der Zeitschriftenhandel und das Abonnement sind gering entwickelt.
Wichtigste Informationsquelle fĂŒr die meisten Bolivianer sind nach wie vor die privaten Radiosender. Neben Stationen auf dem UKW-Band senden noch eine Reihe von Stationen auĂerhalb der Ballungszentren auf Mittel- und Kurzwelle. 2006 sendeten rund 480 Radiostationen im Land.
Staatsmedien spielen eher eine untergeordnete Rolle. Neben dem Internetportal abi.bo der staatlichen Nachrichtenagentur ABI sind hier der Fernsehsender Bolivia TV und die Zeitung Cambio zu nennen. Diese Medien berichten vorwiegend ĂŒber die Regierungsarbeit und informieren ĂŒber soziale Programme, bemĂŒhen sich aber beispielsweise auch, die Integration der Regionen und Volksgruppen zu fördern, indem die Vielfalt des Landes und die Traditionen positiv dargestellt werden. AuĂerdem werden lokale Radiosender in diversen Landessprachen betrieben.
Die staatliche Telekommunikationsbehörde Superintendencia de TelecomunicaciĂłnes (SITTEL) untersteht dem Wirtschaftsministerium. Diese ist auch fĂŒr den Einzug der FernsehgebĂŒhren zustĂ€ndig. SchĂ€tzungen gehen davon aus, dass 95 Prozent aller Konsumenten die Abgabe nicht bezahlen.
Als bedeutendster Filmregisseur Boliviens gilt Jorge SanjinĂ©s. Bekannte neuere Filme sind u. a. Primavera von JoaquĂn Tapia Guerra und das Politdrama Forgotten von Carlos Bolado (beide 2014; Primavera wurde 2015 auf der Berlinale gezeigt).
Im Jahr 2021 nutzten 66 Prozent der Einwohner Boliviens das Internet.
FuĂball ist die beliebteste Sportart Boliviens, wobei die bolivianische Nationalmannschaft traditionell zu den schwĂ€cheren FuĂballmannschaften SĂŒdamerikas gehört. Bolivien hat bisher an drei FuĂballweltmeisterschaftsendrunden teilgenommen, schied aber jeweils in der Vorrunde aus â zuletzt 1994. Die bisher gröĂten Erfolge der Nationalmannschaft waren der Sieg bei der Copa AmĂ©rica 1963 im eigenen Land, der zweite Platz 1997 ebenfalls im eigenen Land und ein 6:1 gegen Argentinien am 1. April 2009 in der Qualifikation fĂŒr die WM 2010.
Der erste FuĂballverein wurde 1886 in Oruro mit dem Klub Oruro Royal gegrĂŒndet. Zu den bekanntesten Vereine zĂ€hlen:
In den USA wurde der bolivianische Spieler Marco Etcheverry zur Jahrhundertmannschaft der Major League Soccer (MLS) einberufen, und der StĂŒrmer Jaime Moreno von D.C. United wurde 2006 TorschĂŒtzenkönig der MLS.
FĂŒr Aufsehen gesorgt hat auch die FuĂballakademie von âTahuichiâ. Im Jahr 1978 gegrĂŒndet, gelang den Spielern der Akademie der Sieg bei der U-16-SĂŒdamerikameisterschaft 1986, viele Akteure nahmen dann auch bei der WM 1994 teil. Bolivien zĂ€hlte damals zu den besten Mannschaften SĂŒdamerikas, einige Spieler wie Erwin SĂĄnchez schafften den Sprung nach Europa oder in die USA. Diese Spielergeneration ist aber seit der Qualifikation zur WM 2006 nicht mehr aktiv.
Seit 1995 gibt es auch eine bolivianische FuĂballnationalmannschaft der Frauen.
Neben FuĂball ist auch Racquetball sehr beliebt. Die bolivianischen Nationalmannschaften der MĂ€nner und der Frauen gehören mittlerweile zu den besten der Welt. Bei der Weltmeisterschaft im Jahr 2008 gelang es der mĂ€nnlichen Auswahl, den vierten Platz zu belegen, wĂ€hrend die Frauen den zweiten Platz belegten. Seit den 1990er-Jahren sind die Mannschaften unter den besten zehn platziert.
Andere beliebte Sportarten sind Alpinismus, Automobilsport, Basketball, Volleyball, Mountainbiken und StraĂenradsport (Bolivienrundfahrt).
Bolivien hat bisher 14-mal an den Olympischen Sommerspielen teilgenommen, zuletzt in Rio de Janeiro mit zwölf Athleten, konnte bisher aber noch keine Medaille gewinnen. An den Winterspielen nahm Bolivien bisher fĂŒnfmal teil, zuletzt 1992, aber bisher ohne Erfolg. Special Olympics Bolivien nahm bereits mehrmals an Special Olympics Weltspielen teil.
Die Regierung Morales hat die allgemeine Förderung des Sports zu einer PrioritĂ€t gemacht. So wurden in den letzten Jahren im ganzen Land hunderte SportplĂ€tze gebaut, darunter unter anderem kleine Basketball- und Futsal-Felder, ĂŒberdachte PlĂ€tze, groĂe KunstrasenplĂ€tze und Sporthallen mit ZuschauerrĂ€ngen. Selbst abgelegene kleinere Orte und AuĂenbezirke der StĂ€dte verfĂŒgen daher heute in der Regel ĂŒber ein solches Angebot. HĂ€ufig werden auch Trainingsleiter vom Staat bezahlt, welche die Kinder der Anwohner kostenlos betreuen. Entsprechend spielt auch in der Schule der Sport eine groĂe Rolle. Schulmannschaften in diversen Ballsportarten, der Leichtathletik und anderen Disziplinen treten regelmĂ€Ăig in regionalen oder auch landesweiten Turnieren gegeneinander an. Daneben wurden fĂŒr Individualsportler zum Teil auch Trimm-Dich-Pfade und Radwege angelegt, wobei diese Angebote noch relativ selten sind.
Die Bolivianische KĂŒche weist Ăhnlichkeiten auf mit den KĂŒchen der anderen AndenlĂ€ndern â Peru und Ecuador.
Abk | Name | Lat N | Lat S | Lng W | Lng E | B | O |
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Beni | -10.392 | -16.469 | -67.568 | -61.593 | |||
Chuquisaca | -18.345 | -21.535 | -65.694 | -62.211 | |||
Cochabamba | -15.699 | -18.669 | -67.015 | -64.212 | |||
La Paz | -11.905 | -18.039 | -69.667 | -66.758 | |||
Oruro | -17.400000 | -19.939787 | -69.156000 | -66.041000 | |||
Pando | -9.68 | -12.497 | -69.578 | -65.285 | |||
PotosĂ | -17.855 | -22.897 | -68.793 | -64.747 | |||
Santa Cruz | -13.464 | -20.475 | -64.808 | -57.466 | |||
Tarija | -20.891 | -22.872 | -65.329 | -62.272 |