Belgien (amtlich Königreich Belgien, niederlĂ€ndisch , französisch Royaume de Belgique) ist ein föderaler Staat in Westeuropa. Es liegt zwischen der Nordsee und den Ardennen und grenzt an die Niederlande, Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Belgien zĂ€hlte am 1. Januar 2024 rund 11,8 Millionen Einwohner auf einer FlĂ€che von 30.688 Quadratkilometern. Mit 383 Einwohnern pro Quadratkilometer zĂ€hlt Belgien zu den am dichtesten besiedelten Staaten. Der Grad der Urbanisierung Belgiens ist mit fast 98 Prozent der höchste in Europa. BrĂŒssel ist die Hauptstadt und Sitz der belgischen Königsfamilie, der Föderalregierung sowie Zentrum der Region BrĂŒssel-Hauptstadt. Die bevölkerungsreichste Stadt ist Antwerpen, gefolgt von Gent, Charleroi, LĂŒttich (LiĂšge) und BrĂŒssel.
Seit der UnabhĂ€ngigkeit 1830 und Verfassungsgebung 1831 ist Belgien eine parlamentarische Erbmonarchie (siehe auch belgische Monarchie). Die belgische Geschichte reicht allerdings viel weiter zurĂŒck: âBelgien ist ein Land mit einem jungen Staat, aber einer langen Geschichteâ (Christoph Driessen). Belgien umfasst vier Sprachgebiete. Der Norden des Landes mit den Flamen ist niederlĂ€ndisches, der SĂŒden mit den Wallonen französisches Sprachgebiet (vgl. FlĂ€mische und Französische Gemeinschaft). Die Region BrĂŒssel-Hauptstadt ist offiziell zweisprachig, jedoch mehrheitlich frankophon bewohnt. Im deutschsprachigen Gebiet in Ostbelgien sind Standarddeutsch und westmitteldeutsche Mundarten verbreitet (vgl. Deutschsprachige Gemeinschaft).
Der seit dem 19. Jahrhundert anhaltende flĂ€misch-wallonische Konflikt prĂ€gt die oft einander zuwiderlaufenden Interessen der Vertreter der beiden groĂen Bevölkerungsgruppen in der belgischen Politik. Die Sprachgesetzgebung ist eine Folge dieses Konflikts. Seit den 1970er-Jahren wird versucht, diesem Problem durch eine Dezentralisierung der Staatsorganisation zu begegnen. Dazu wurde Belgien in einen Bundesstaat, bestehend aus drei Regionen und drei Gemeinschaften, umgewandelt. Die Regionen Flandern, Wallonien und BrĂŒssel-Hauptstadt sowie die FlĂ€mische, die Französische und die Deutschsprachige Gemeinschaft bilden seither das politische GrundgefĂŒge des Landes. Der Staatsaufbau Belgiens gilt als komplex, da u. a. die Hoheitsgebiete der Regionen mit jenen der Gemeinschaften nicht deckungsgleich sind. So ĂŒberschneiden sich die ZustĂ€ndigkeiten der Französischen und der FlĂ€mischen Gemeinschaft in der offiziell zweisprachigen Region BrĂŒssel-Hauptstadt, und das kleine Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft gehört zur mehrheitlich französischsprachigen Region Wallonien. Jedoch strebt die Deutschsprachige Gemeinschaft die Ausgliederung aus Wallonien und die Erhebung zur gleichberechtigten vierten belgischen Region neben Flandern, Wallonien und BrĂŒssel-Hauptstadt an.
Belgien ist GrĂŒndungsmitglied der EuropĂ€ischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), der heutigen EuropĂ€ischen Union (EU), deren wichtigste Institutionen in seiner Hauptstadt BrĂŒssel ihren Sitz haben. Der belgische Staat ist neben den Niederlanden und Luxemburg Mitglied in der Wirtschaftsunion Benelux.
Seit den 2000er-Jahren hat sich Belgien zu einem sehr wohlhabenden Land in Europa entwickelt. Die zentrale geografische Lage des Landes verschafft ihm einen strategischen Vorteil im internationalen Handel, unterstĂŒtzt durch eine gut ausgebaute Infrastruktur, wie den Hafen von Antwerpen. Belgien profitierte als GrĂŒndungsmitglied der EuropĂ€ischen Union von der politischen und wirtschaftlichen Integration, insbesondere durch die EinfĂŒhrung des Euro im Jahr 2002. DarĂŒber hinaus investierte das Land in Forschung und Entwicklung, was die Innovationskraft stĂ€rkte.
Auf sozialer Ebene bietet das fortschrittliche Sozialsystem Belgiens umfassende Leistungen und solidarische spezifische Absicherung fĂŒr bedĂŒrftige BĂŒrger und Beihilfen fĂŒr Menschen mit Behinderungen.
Der Name Belgien begrĂŒndet sich auf die römische Provinz Gallia Belgica. Dieser nordöstliche Teil Galliens wurde von StĂ€mmen keltischer (d. h. die Belger) und germanischer (d. h. Germani cisrhÄnani) Herkunft bewohnt. Im 18. Jahrhundert galt das französische Adjektiv belge oder belgique als Entsprechung von Nederlands âniederlĂ€ndischâ; der kurzlebige unabhĂ€ngige Belgische Staat von 1790 hieĂ z. B. auf Französisch Ătats belgiques unis und wurde auf NiederlĂ€ndisch meist Verenigde Nederlandse Staten genannt. SpĂ€ter beschrĂ€nkte sich der Gebrauch von belge und belgique zunehmend auf die sĂŒdlichen Niederlande, das heutige Belgien.
Laut den Berechnungen des Königlichen Belgischen Instituts fĂŒr Naturwissenschaften hat Belgien eine FlĂ€che von 30.688 kmÂČ. Davon umfasst
25 % der LandflĂ€che Belgiens werden fĂŒr Landwirtschaft genutzt.
Im Gefolge der nacheiszeitlichen Flandrischen Transgression kam es zur Bildung von StrandwĂ€llen, die heute noch als ein bis zu 50 Meter hoher, geschlossener DĂŒnengĂŒrtel an der belgischen KĂŒste vorhanden sind. Daraufhin folgt eine ungefĂ€hr 10 bis 20 Kilometer breite Zone aus Marschland.
Weiter im Binnenland liegt die sogenannte Flussgeest. Hier wurden die Ablagerungen des Maas-SchwemmfĂ€chers in der letzten Kaltzeit mit Sanden groĂer MĂ€chtigkeit ĂŒberdeckt. Im leicht welligen Land wechseln sich Ăcker und Wiesen mit WaldstĂŒcken und Heiden ab; zum Teil kommen auch Hochmoore vor. Westlich einer Linie Antwerpen-BrĂŒssel schlieĂt sich die weite flandrische Ebene an. In ihrem Nordteil ist sie ebenfalls von Sanden bedeckt, im SĂŒden dominieren Lehmböden, die fĂŒr die Landwirtschaft gĂŒnstiger sind. Hier wird die Ebene von einer lockeren Kette von tertiĂ€rzeitlichen HĂŒgeln ĂŒberragt. Nach Westen hin vermittelt die Ebene zum Nordfranzösischen Schichtstufenland, das gröĂtenteils aus mesozoischen Sedimenten aufgebaut ist (â Pariser Becken).
Die TĂ€ler der Sambre und der Maas bilden eine scharfe Grenze an einer tektonischen Störungszone, welche die TertiĂ€r- und Kreideplateaus im Nordwesten von den Ardennen als Teil des Rheinischen Schiefergebirges im SĂŒdosten trennt. Die stark bewaldeten Ardennen bestehen aus unterschiedlich widerstĂ€ndigen palĂ€ozoischen Schiefern, Sandsteinen, Grauwacken und Quarziten. Sie erreichen in Belgien mit der Botrange im Hohen Venn eine Höhe von 694 Metern.
An der Störungszone der Haine-Sambre-Maas-Furche liegen reiche FundstÀtten von Steinkohle. Dort, im Nordfranzösischen Kohlerevier, entstand ab 1830 das erste kontinentaleuropÀische Bergbau- und Schwerindustrierevier. Ab 1901 wurde auch das Limburger Steinkohlerevier erschlossen.
Flandern bildet den Nordteil des Landes und besteht weitgehend aus Flachland. Es ist die bevölkerungsreichste Region des Landes. Die politisch eigenstĂ€ndige Hauptstadtregion BrĂŒssel befindet sich als Enklave innerhalb der flĂ€mischen Region. Dieser Landesteil besteht teilweise aus sandigen GeestrĂŒcken â so zum Beispiel in der Provinz Limburg, die sich im Osten der flĂ€mischen Region befindet. Die Geest wird auch von Marschlandschaften unterbrochen, was insbesondere den Bereich der FlĂŒsse betrifft. Hierunter sind die Maas und die Schelde die bedeutendsten. Im Ă€uĂersten Westen Flanderns befindet sich die 65 Kilometer lange KĂŒste mit der Hafenstadt Ostende. Insbesondere die Provinzen Antwerpen, FlĂ€misch-Brabant mit dem Umland BrĂŒssels und Ostflandern sind sehr dicht besiedelt.
Die Wallonische Region umfasst den sĂŒdlichen Teil Belgiens. Sie ist bezogen auf die FlĂ€che die gröĂte Region des Landes. Ihr Gebiet ist im Bereich der Ardennen gebirgig und dĂŒnn besiedelt und wird durch die FlusstĂ€ler von Maas, Sambre und Ourthe durchschnitten. Entlang der genannten FlĂŒsse befinden sich die wichtigsten StĂ€dte der Region, insbesondere LĂŒttich, Namur und Charleroi. Im Westen der Region befinden sich ferner Mons sowie Mouscron und Tournai, die sich in einem grenzĂŒberschreitenden Ballungsgebiet mit der nordfranzösischen Stadt Lille befinden. In Nil-Saint-Vincent (Gemeinde Walhain) in der dicht besiedelten Provinz Wallonisch-Brabant befindet sich der geographische Mittelpunkt Belgiens. Die höchste Erhebung des Landes befindet sich mit dem Signal de Botrange (694 m O.P.) im Hohen Venn in Ostbelgien nahe der Grenze zu Deutschland. Höchstgelegene Ortschaft Belgiens ist das ostbelgische MĂŒrringen (655 m O.P.).
Es gibt unter anderem folgende FlĂŒsse und KanĂ€le:
Im Jahr 2023 lebten 98 Prozent der Einwohner Belgiens in StÀdten.
Sowohl im Grenzverlauf zu den Niederlanden (Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden mit den Gemeinden Baarle-Nassau sowie Baarle-Hertog) als auch in Ostbelgien (Grenze zwischen Belgien und Deutschland) gibt es zahlreiche Exklaven sowie Enklaven, so u. a. die Vennbahn-Exklaven. Auch innerhalb Belgiens gibt es Exklaven und Enklaven, so ist z. B. die Gemeinde Voeren eine Exklave der belgischen Provinz Limburg und der Region Flandern. Auch die Gemeinde Comines-Warneton ist eine Exklave der belgischen Provinz Hennegau und der Region Wallonien.
Belgien hatte 2022 11,7 Millionen Einwohner. Das jĂ€hrliche Bevölkerungswachstum betrug + 0,9 %. Trotz eines SterbeĂŒberschusses (Geburtenziffer: 9,8 pro 1000 Einwohner vs. Sterbeziffer: 10,0 pro 1000 Einwohner) wuchs die Bevölkerung durch Migration. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2022 statistisch bei 1,5, die der EuropĂ€ischen Union betrug auch 1,5. Die Lebenserwartung der Einwohner Belgiens ab der Geburt lag 2022 bei 81,7 Jahren (Frauen: 83,9, MĂ€nner: 79,6). Der Median des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2021 bei 40,9 Jahren. Im Jahr 2023 waren 16,3 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre, wĂ€hrend der Anteil der ĂŒber 64-JĂ€hrigen 20,1 Prozent der Bevölkerung betrug.
Die Bevölkerung Belgiens wird in der Regel in Sprachgruppen eingeteilt. Genaue Daten zur Verteilung sind seit der Festlegung der offiziellen Sprachgrenze 1962 nicht mehr erhoben worden. Hiernach stellen die niederlĂ€ndischsprachigen Flamen knapp 60 Prozent der Bevölkerung dar. Als Flamen werden in diesem verallgemeinernden Sinne nicht allein die Einwohner der Provinzen West- und Ostflandern, sondern auch die der anderen niederlĂ€ndischsprachigen Provinzen (Antwerpen, Brabant, Limburg) und die niederlĂ€ndischsprachigen Bewohner der Region BrĂŒssel-Hauptstadt bezeichnet. Die Wallonen und die frankophonen Bewohner der Region BrĂŒssel-Hauptstadt und ihres Umlandes, die meist zusammenfassend als französischsprachige Belgier bezeichnet werden, bilden etwas weniger als 40 Prozent der Einwohner des Landes. Hinzu kommt als dritte Bevölkerungsgruppe mit einem offiziellen Sprachgebiet die Deutschsprachige Gemeinschaft im Osten des Landes; hier lebt weniger als ein Prozent der belgischen Bevölkerung (78.604 am 1. Januar 2024). Insgesamt wird die Zahl der deutschsprachigen Ostbelgier einschlieĂlich derer, die als Minderheit in mehrheitlich frankophonen Landkreisen (z. B. Malmedy) wohnen, auf 110.000 geschĂ€tzt.
Zu den Minderheiten, die ĂŒber kein offizielles eigenes Sprachgebiet verfĂŒgen, deren Rechte jedoch teilweise ĂŒber sogenannte FazilitĂ€ten (Erleichterungen) geregelt sind, gehören kleinere, westgermanische Dialekte sprechende Gruppen im offiziell französischen Sprachgebiet (etwa Luxemburgisch im Areler Land und Platdiets in den Plattdeutschen Gemeinden).
Als Voyageurs, Gens du voyage oder Woonwagenbewoners werden in Belgien lebende Gruppen sowohl der Jenischen, Manouches und Roma als auch Wohnwagenbewohner anderer Herkunft bezeichnet. Die Anzahl der Gens du voyage wurde 2005 auf insgesamt 15.000 bis 20.000 Personen, 0,15 Prozent der belgischen Bevölkerung, geschÀtzt. Die weitere Wohnbevölkerung besteht aus Zugewanderten aus vielen Teilen Europas und Afrikas. Ihre sprachliche Situation ist statistisch nicht nÀher erfasst.
Im Jahr 2012 hatte 25 Prozent der Gesamtbevölkerung einen Migrationshintergrund. Seit 1945 gibt es 2,8 Millionen Neubelgier auslĂ€ndischer Abstammung. Hiervon sind rund 1,2 Millionen europĂ€ischer Abstammung und rund 1,35 Millionen stammen aus LĂ€ndern auĂerhalb Europas (Marokko, TĂŒrkei, Algerien, Kongo). Seit der Lockerung des belgischen Staatsangehörigkeitsrechts haben mehr als 1,3 Millionen Migranten die belgische StaatsbĂŒrgerschaft erworben. Die gröĂte Einwanderergruppe sind Marokkaner (mehr als 450.000 einschlieĂlich ihrer in Belgien lebenden Nachkommen). TĂŒrken bilden die zweitgröĂte ethnische Minderheit (rund 220.000). 89,2 Prozent der Einwohner mit tĂŒrkischer Herkunft wurden eingebĂŒrgert, ebenso 88,4 Prozent der Personen marokkanischer Herkunft, 75,4 Prozent der mit italienischer, 56,2 Prozent der mit französischer und 47,8 Prozent der mit niederlĂ€ndischer Herkunft. Die sprachliche Situation, etwa inwieweit die Nachkommen von Einwanderern noch die Muttersprache ihrer Eltern oder GroĂeltern sprechen, ist statistisch nicht umfassend erhoben, da Statistiken bezĂŒglich den gesprochenen Sprachen seit 1961 in Belgien verboten sind.
GemÀà der Verfassung Belgiens umfasst das Land vier Sprachgebiete.
In Belgien haben drei Sprachen den Status einer Amtssprache:
Im Unterschied zur Schweiz (dortige Sprachgruppenanteile) bildet das Nebeneinander der Sprachgruppen einen erheblichen Konfliktstoff. Die Ursachen hierfĂŒr sind kulturhistorisch und sozioökonomisch bedingt. Der Belgien-Experte Christoph Driessen definiert Belgien als ein Land, âin dem viele Menschen NiederlĂ€ndisch oder Französisch sprechen, ohne niederlĂ€ndisch oder französisch sein zu wollenâ.
Nach der UnabhĂ€ngigkeit Belgiens 1830 galt allein Französisch als Amtssprache. Im Jahr 1898 wurde NiederlĂ€ndisch als zweite Amtssprache rechtlich anerkannt, dennoch blieb Französisch die vorherrschende Verwaltungs- und Unterrichtssprache in ganz Belgien. 1919 kam Deutsch als Amtssprache im neu hinzugewonnenen Gebiet im Osten des Landes dazu; Ostbelgien war nach dem Versailler Vertrag dem belgischen Staat angegliedert worden. Nach dem Ersten Weltkrieg forderte die Mehrheit der Flamen mit Nachdruck, dass das NiederlĂ€ndische auch als Verwaltungs- und Unterrichtssprache an Schulen und UniversitĂ€ten verwendet und der französischen Amtssprache gleichgestellt werden solle. TatsĂ€chlich sprach die Mehrheit der belgischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein lokale Formen niederlĂ€ndischer bzw. französischer Dialekte (Mundarten des FlĂ€mischen, Brabantischen, Limburgischen, Wallonischen etc.), die bis heute die umgangssprachliche Realisierung der Standardsprachen in der Phonetik, teilweise auch im Wortschatz und der Formenbildung prĂ€gen. So enthĂ€lt das umgangssprachliche BrĂŒsseler Französisch zahlreiche flĂ€mische Elemente, da hier eine ursprĂŒnglich ĂŒberwiegend flĂ€mischsprachige Stadt durch kulturellen und politischen Wandel (Hauptstadt des neugegrĂŒndeten frankophon definierten belgischen Staates 1830) allmĂ€hlich franzisiert worden ist; bei diesem Sprachwechsel groĂer Teile der BrĂŒsseler Bevölkerung gingen Elemente der germanischen Volkssprache in das lokale Französisch ein.
1921 legte die belgische Regierung drei Sprachgebiete mit territorialer Einsprachigkeit fest, die jedoch zweisprachige Gebiete und Milieus nicht ausreichend berĂŒcksichtigte und zu langwĂ€hrenden innenpolitischen Konflikten fĂŒhrte: die niederlĂ€ndische Sprachzone in Flandern, die französische Sprachzone in der Wallonie und die deutsche Sprachzone in Ostbelgien. Sonderregelungen entstanden in und um BrĂŒssel, das als zweisprachig gilt (siehe SprachenverhĂ€ltnisse in BrĂŒssel), sowie in den spĂ€ter eingerichteten FazilitĂ€tengemeinden entlang der romanisch-germanischen Sprachgrenze. Nicht berĂŒcksichtigt wurden jene gebildeten Bevölkerungsteile Flanderns, insbesondere in Antwerpen und anderen StĂ€dten, fĂŒr die Französisch eine bevorzugte Sprache und mitunter sogar Muttersprache war; mit Ausnahme der Hauptstadt BrĂŒssel waren nach 1921 in den als einsprachig definierten Landesteilen keine allophonen Sprachinseln mehr vorgesehen.
Der flĂ€misch-wallonische Konflikt, der zunĂ€chst vor allem soziale Ursachen hatte (Verarmung der flĂ€mischen Bauernschaft zur Zeit der Industriellen Revolution, soziale Benachteiligung dieser Bevölkerungsschicht im politischen und gesellschaftlichen GefĂŒge des Landes bei gleichzeitigem Wirtschaftsboom und kulturellem Aufstieg der Wallonie im 19. und frĂŒhen 20. Jahrhundert), dauert bis heute an, obwohl sich die sozio-ökonomischen VerhĂ€ltnisse seit dem Niedergang der fĂŒr die Wallonie prĂ€genden Montanindustrie in der zweiten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts und dem Aufschwung neuer Wirtschaftszweige in Flandern grundlegend gewandelt haben.
Den Status von Regionalsprachen haben seit 1990 das romanische Lothringisch, das Champenois, Limburgisch, Luxemburgisch, Ripuarisch, Picardisch und Wallonisch.
Die Mehrheit der Belgier gehört christlichen Kirchen an: Etwa 75 Prozent der belgischen StaatsbĂŒrger sind römisch-katholisch, rund 1 Prozent gehört der Vereinigten Protestantischen Kirche an und 8 Prozent islamischen Gemeinden. Daneben existieren kleinere christlich-orthodoxe, jĂŒdische, buddhistische und hinduistische Minderheiten. Der Anteil nicht konfessionell gebundener Menschen betrĂ€gt etwa 16 Prozent.
Traditionell war Belgien ein katholisches Land. Die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben war ein wesentlicher Grund fĂŒr die Belgische Revolution und die Abspaltung (1830) vom ĂŒberwiegend protestantischen Norden der vom Wiener Kongress 1815 gebildeten Vereinigten Niederlande. Die katholische Mehrheit erstreckt sich auf alle drei Sprachgebiete (flĂ€misch, französisch, deutsch). Mit der Katholieke Universiteit Leuven ist eine der bedeutendsten UniversitĂ€ten des Landes konfessionell gebunden. Vor allem das lĂ€ndliche Flandern war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts stark katholisch geprĂ€gt; im frĂŒhzeitig industrialisierten Wallonien bedingten der Liberalismus und die sozialistische Arbeiterbewegung eine stĂ€rkere SĂ€kularisierung, die in den 1960er-Jahren auch den flĂ€mischen Landesteil erfasst hat.
Die Vereinigte Protestantische Kirche hat 45.000 Gemeindeglieder in 110 Gemeinden, davon 70 wallonische, 35 flÀmische, 3 deutsch- und 2 englischsprachige mit 85 Pfarrern. Sie ist eine unierte Kirche und enthÀlt somit lutherische und reformierte (calvinistische) Elemente. Daneben bestehen protestantische Freikirchen, darunter die Baptisten in Belgien.
Im Jahr 2011 lebten eine Million Einwohner mit muslimischem Hintergrund in Belgien. Muslime bilden 22 Prozent der Bevölkerung in der Region BrĂŒssel-Hauptstadt, 4 Prozent in Wallonien und 3,9 Prozent in Flandern. Die Mehrheit der belgischen Muslime lebt in groĂen StĂ€dten, beispielsweise in Antwerpen, LĂŒttich, Charleroi und vor allem in BrĂŒssel. Die gröĂte Einwanderergruppe sind die rund 400.000 aus Marokko stammenden Einwohner Belgiens. Die rund 220.000 TĂŒrken sind die drittgröĂte Einwanderergruppe und die zweitgröĂte muslimische Bevölkerungsgruppe.
Die föderale belgische Regierung erkennt sechs Religionen und eine nicht-konfessionelle Weltanschauung an und fördert sie: die römisch-katholische Kirche, die Vereinigte Protestantische Kirche von Belgien, die orthodoxe Kirche, die anglikanische Kirche, den Islam, das Judentum und die freigeistige Weltanschauungsgemeinschaft.
Eine reprĂ€sentative Umfrage im Auftrag der EuropĂ€ischen Kommission im Rahmen des Eurobarometers ergab 2020, dass fĂŒr 24 Prozent der Menschen in Belgien Religion wichtig ist, fĂŒr 25 Prozent ist sie weder wichtig noch unwichtig und fĂŒr 51 Prozent ist sie unwichtig.
In Belgien ist HomosexualitĂ€t gesellschaftlich akzeptiert. Die gesellschaftliche Toleranz gegenĂŒber Homosexuellen ist verhĂ€ltnismĂ€Ăig hoch. Belgien gilt als sehr liberales Land bezĂŒglich der Rechte Homosexueller und deren Gleichstellung. Homosexuelle Handlungen wurden bereits im Jahr 1974 entkriminalisiert; seit 2003 existieren zudem Antidiskriminierungsgesetze. Als zweiter Staat der Welt öffnete Belgien nach den Niederlanden im Jahr 2003 die gleichgeschlechtliche Ehe. Die Vereinigte Protestantische Kirche erlaubt seit 2007 die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.
Die Stadt Antwerpen hat eine der gröĂten jĂŒdischen Gemeinschaften Europas, daher prĂ€gen orthodoxe und ultra-orthodoxe Juden in einigen Vierteln das Stadtbild. Unia, das âZentrum fĂŒr Chancengleichheit und Kampf gegen Rassismusâ in Belgien, registrierte 101 Meldungen antisemitischer Straftaten im Jahr 2018. Dies bedeutet nahezu eine Verdopplung im Vergleich zum Jahr 2017, in dem 56 antisemitische Straftaten erfasst wurden.
Belgiens Heimspiel in der Nations League gegen Israel im September 2024, das ursprĂŒnglich in BrĂŒssel stattfinden sollte, musste aus SicherheitsgrĂŒnden und Angst vor antisemitischen Ausschreitungen nach Debrezin in Ungarn verlegt werden, da sich neben BrĂŒssel auch andere belgische StĂ€dte weigerten, das Spiel auszutragen. Von jĂŒdischer Seite wurde dies als âKapitulation vor dem Antisemitismusâ interpretiert.
Seit mehreren Jahren steht der Karnevalsumzug der Stadt Aalst in der Kritik, da er öfters auf antijĂŒdische Stereotype zurĂŒckgreift. Ein am Umzug teilnehmender Verein, der bereits im Jahr zuvor fĂŒr antisemitische Puppen verantwortlich gewesen war, verwendete auch 2020 antisemitische Karikaturen. Der BĂŒrgermeister von Aalst, Christoph DâHaese von der Partei Nieuw-Vlaamse Alliantie, wollte die Puppen und Karikaturen nicht verurteilen. In diesem Zusammenhang hat die UNESCO den Aalster StraĂenkarneval im Dezember 2019 von der Liste des Immateriellen Kulturerbes gestrichen. Ein Vertreter des American Jewish Committee forderte die EU-Kommission auf, ein Strafverfahren nach Artikel 7 der EU-VertrĂ€ge gegen Belgien einzuleiten.
Die Zahl der Meldungen von judenfeindlichen Inhalten im Internet hat sich in Belgien innerhalb eines Jahres vervierfacht: âJuden schmieden eine Verschwörung gegen die Weltâ oder âHitler hat seine Arbeit nicht beendetâ, sind SprĂŒche, die regelmĂ€Ăig auftauchen. Zudem soll nach EinschĂ€tzung der Medien die rechtsradikale flĂ€mische Studentenbewegung âSchild & Vriendenâ den Antisemitismus geschĂŒrt haben. Beispiele fĂŒr judenfeindliche Akte sind auch der Anschlag auf das JĂŒdische Museum in BrĂŒssel, bei dem am 24. Mai 2014 vier Menschen durch SchĂŒsse getötet wurden, und die TerroranschlĂ€ge in der BrĂŒsseler Innenstadt und am Flughafen BrĂŒssel-Zaventem im MĂ€rz 2016.
Als Provinz Belgica â ein von CĂ€sar eingefĂŒhrter Name â erlebte das heutige Gebiet Belgien viele Herrschaften. Es war im FrĂŒhmittelalter Teil des frĂ€nkischen Reiches und wurde bei dessen Teilungen ebenfalls immer wieder politisch geteilt. SpĂ€ter war es ĂŒberwiegend Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches und zerfiel in einzelne HerzogtĂŒmer und Grafschaften.
Vom Hochmittelalter bis zur frĂŒhen Neuzeit stellten die StĂ€dte Flanderns mit ihren Tuchindustrien eines der beiden Zentren der europĂ€ischen Wirtschaft dar (neben den StĂ€dten Norditaliens). Die einzelnen Territorien gerieten politisch unter die Herrschaft des Hauses Burgund, das 1477 infolge der Heirat der burgundischen Alleinerbin Maria von Burgund mit Maximilian I., Erzherzog von Ăsterreich und spĂ€terer römisch-deutscher König und Kaiser, den Habsburgern beerbt wurde. 1555/56 wurde die Teilung der Habsburger-Dynastie in eine spanische und eine österreichische Linie vollzogen. Die niederlĂ€ndischen Provinzen wurden den spanischen Habsburgern zugesprochen.
1579 bildeten sich die katholische Union von Arras und die calvinistisch-protestantische Utrechter Union. Die Provinzen der Union von Utrecht lösten sich 1581 von Spanien und grĂŒndeten die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen, deren UnabhĂ€ngigkeit nach dem Ende des AchtzigjĂ€hrigen Krieges im Frieden von MĂŒnster von 1648 anerkannt wurde. Die Provinzen der Union von Arras, Flandern und Brabant, wurden als Spanische Niederlande von einem spanischen Statthalter verwaltet. Nach dem Aussterben der spanischen Habsburger (1700) und dem daraus resultierenden Spanischen Erbfolgekrieg kamen 1714 die von da an österreichischen Niederlande unter die Herrschaft der österreichischen Habsburger.
Infolge der absolutistisch-zentralistischen Bestrebungen des österreichischen Herrschers Joseph II. kam es 1789 zur Brabanter Revolution und 1790 zur Ausrufung der kurzlebigen Vereinigten Belgischen Staaten. Das revolutionĂ€re Frankreich annektierte zwischen 1792 und 1794 die Ăsterreichischen Niederlande, 1795 folgte die Eingliederung in die Französische Republik. Auf dem Wiener Kongress (1815) wurden die Provinzen den (nördlichen) Niederlanden zugesprochen. Residenzstadt des niederlĂ€ndischen Königs wurde BrĂŒssel.
Im Zuge der Belgischen Revolution wurde das Land 1830 von den Niederlanden unabhÀngig. Es wurde eine parlamentarische Monarchie errichtet und Leopold von Sachsen-Coburg zum ersten König der Belgier ernannt. Leopold II., Sohn des ersten Königs, erwarb den Kongo in Afrika als Privatbesitz. Nachdem die KongogrÀuel (brutale Exzesse bei der wirtschaftlichen Ausbeutung des Kongo) international bekannt geworden waren, musste Leopold das Gebiet 1908 als Kolonie an den belgischen Staat abtreten. WÀhrend Leopolds Schreckensherrschaft waren in dem afrikanischen Land schÀtzungsweise 10 Millionen Menschen durch Sklaverei und Zwangsarbeit ums Leben gekommen. 1960 wurde der Kongo unabhÀngig.
Im Ersten Weltkrieg wurde das neutrale Belgien vom Deutschen Reich entsprechend dem Schlieffen-Plan ĂŒberfallen und von der deutschen Armee fast gĂ€nzlich eingenommen. Das deutsche MilitĂ€r ging dabei auch gegen Zivilisten mit ErschieĂungen, BrĂ€nden und Geiselnahmen vor. In Dinant und mehreren anderen belgischen StĂ€dten kam es zu Massakern an der Zivilbevölkerung. BegrĂŒndet wurden diese Ăbergriffe mit PartisanenaktivitĂ€ten, deren reale Grundlage jedoch umstritten ist (siehe Francs-tireurs). Im Verlauf des Stellungskrieges wurden viele StĂ€dte in Flandern zerstört, Teile des Landes verwĂŒstet. Als im Deutschen Reich die ArbeitskrĂ€fte knapp wurden, mussten Zehntausende belgische Zivilisten â Flamen wie Wallonen â Zwangsarbeit fĂŒr das kaiserliche MilitĂ€r und die deutsche RĂŒstungsindustrie leisten.
Nach dem Krieg wurde das mehrheitlich deutschsprachige Gebiet Eupen-Malmedy durch den Vertrag von Versailles 1919 unter belgische Verwaltung gestellt. Nach einer umstrittenen Volksbefragung im Jahr 1920 wurde Ostbelgien 1925 belgisches Staatsgebiet. Belgien beteiligte sich auĂerdem an der Ruhrbesetzung.
Im Zweiten Weltkrieg erklĂ€rte sich das Land als neutral. Im Mai 1940 wurde es (wie auch die Niederlande und Luxemburg) von der deutschen Wehrmacht auf dem sogenannten Westfeldzug besetzt. Belgien blieb bis 1944/45 besetzt, Minderheiten wie Juden und Roma wurden in Konzentrationslager deportiert. Bis zur Befreiung durch die Westalliierten hatte es â wie halb Europa â unter der WillkĂŒrherrschaft der nationalsozialistischen Diktatur und die jĂŒdische Bevölkerung unter ihrer Verfolgung und Vernichtung zu leiden; StĂ€dte und Landschaften blieben aber weitgehend von Kriegszerstörungen verschont. Lediglich die Ardennenoffensive im Dezember 1944 und Januar 1945 fĂŒhrte im Osten des Landes, vor allem um Sankt Vith und Bastogne, zu schweren Zerstörungen.
Die bereits seit 1944 geplante Zoll- und Wirtschaftseinheit von Belgien, den Niederlanden und Luxemburg wurde im Haager Vertrag am 3. Februar 1958 vereinbart und ist am 1. November 1960 in Kraft getreten (Benelux-LĂ€nder). Belgien zĂ€hlt zu den GrĂŒnderstaaten der EuropĂ€ischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und hat eine wichtige Rolle im europĂ€ischen Einigungsprozess gespielt. Das Land bzw. die belgische Hauptstadt BrĂŒssel wurde Sitz internationaler Organisationen wie der NATO und der EuropĂ€ischen Union.
Die Innenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg war von der Föderalisierung des belgischen Staates und seiner Institutionen geprÀgt, die sezessionistische Tendenzen der verschiedenen SprachrÀume, insbesondere des flÀmischen Nordens zu mildern versuchte. In Flandern erzielen separatistische Parteien hohe Stimmenanteile.
Siehe auch: Liste der Premierminister von Belgien, Belgisch-Kongo, FlÀmisch-wallonischer Konflikt und FlÀmische Bewegung
Belgien ist de jure, d. h. rein verfassungsrechtlich, eine konstitutionelle Monarchie, hat sich jedoch de facto zu einer parlamentarischen Monarchie entwickelt, die seit der VerfassungsĂ€nderung 1993 bundesstaatlich organisiert ist. Die Bundeslegislative setzt sich zusammen aus dem König sowie den beiden Parlamentskammern, der bedeutenderen Abgeordnetenkammer mit 150 und dem Senat mit 60 Mitgliedern. Das aktive und passive Frauenwahlrecht auf nationaler Ebene existiert erst 1948 zu denselben Bedingungen wie das Wahlrecht fĂŒr MĂ€nner. Der König gehört auch der Exekutive an, die er zusammen mit der 15-köpfigen Föderalregierung bildet, der wiederum der Premierminister als primus inter pares vorsteht.
Die föderalen Institutionen sind verantwortlich fĂŒr Justizwesen, Finanzpolitik, innere Sicherheit, AuĂenpolitik, Landesverteidigung und soziale Sicherheit.
Das Königreich Belgien verfĂŒgt ĂŒber eine Flagge sowie ein groĂes, mittleres und kleines Wappen.
Die meisten politischen Parteien spalteten sich in den 1960er- bis 1980er-Jahren in jeweils eine flĂ€mische und eine frankophone Partei auf, hĂ€ufig gibt es auch ein deutschsprachiges Pendant. Parteien derselben Gruppierung arbeiten aber mehr oder weniger eng zusammen und bilden manchmal auch Fraktionsgemeinschaften. Die deutschsprachigen Parteien sind ausschlieĂlich regional tĂ€tig.
Belgien ist von innerer Zerrissenheit â vor allem zwischen der flĂ€mischen (niederlĂ€ndischsprachigen) und der wallonischen (französischsprachigen) Bevölkerung â geprĂ€gt. Daher sind zum Beispiel VolkszĂ€hlungen, welche die gesprochene Sprache der Einwohner erheben, seit 1961 verboten, um nicht immer wieder aufgrund von sich wandelnden statistischen Ergebnissen neue Konflikte um die Zugehörigkeit bestimmter auf der Sprachengrenze liegender Gemeinden zur einen oder anderen Region anzufachen. Um insbesondere die Situation in diesen gemischtsprachlichen Gegenden zu entschĂ€rfen, wurden zum Teil FazilitĂ€tengemeinden mit besonderen Minderheitenrechten (insbesondere im Schulbereich) geschaffen.
âInsgesamt gesehen haben die Spannungen zwischen den beiden groĂen Volksgruppen Belgiens in der letzten Generation abgenommen. Ein Ende Belgiens ist nicht in Sichtâ, urteilte 2018 der Historiker Christoph Driessen in seinem Buch Geschichte Belgiens und verwies darauf, dass die separatistischen Parteien in Flandern in der Minderheit seien und es in Wallonien praktisch keine separatistischen Bestrebungen mehr gebe. JĂŒngere Belgier sowie viele Einwanderer könnten mit dem Sprachenstreit weniger anfangen als frĂŒhere Generationen; sie folgen anderen Identifikationsmodellen, in denen der Frage der Zugehörigkeit zur einen oder anderen Sprachgruppe weniger Gewicht zukommt. Dass es einen innerbelgischen Zusammenhalt gebe, habe auch die Begeisterung fĂŒr die gesamtbelgische Mannschaft bei der FuĂball-Weltmeisterschaft 2018 gezeigt, bei der Belgien den dritten Platz belegte. Nichtsdestoweniger ist zu beobachten, dass trotz des verpflichtenden Schulunterrichts in der jeweils anderen Landessprache gute Kenntnisse des NiederlĂ€ndischen in Wallonien kaum verbreitet sind und die flĂŒssige Beherrschung des Französischen in Flandern im Vergleich zu frĂŒheren Generationen abgenommen hat. Nicht nur in der Staatsstruktur, auch kulturell fĂŒhren beide Bevölkerungsgruppen ein weitgehend getrenntes Dasein. Im kulturellen Sektor besteht eine ausgeprĂ€gte AffinitĂ€t Flanderns zu den Niederlanden und Walloniens zu Frankreich. Gleichwohl wird darauf geachtet, dass auf föderaler politischer Ebene die Mehrsprachigkeit Belgiens demonstriert wird; so mĂŒssen Spitzenpolitiker, insbesondere in RegierungsĂ€mtern, die zweite Landessprache beherrschen (oder lernen), um zu reĂŒssieren, und der König hĂ€lt Ansprachen, die sich an alle Belgier richten, konsequent in allen drei Amtssprachen.
Im MÀrz 2008 verstÀndigten sich flÀmische und frankophone Christdemokraten (CD&V und cdH) und Liberale (Open Vld und MR) sowie die wallonischen Sozialisten (PS) auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung mit Yves Leterme (CD&V) als Premierminister.
Am 18. Dezember 2008 teilte der Kassationshof â das höchste ordentliche Gericht in Belgien â in einem Brief an den Kammervorsitzenden Herman Van Rompuy mit, dass Leterme versucht habe, das Gericht in der Frage des geplanten Verkaufs der belgischen Bank Fortis an den französischen Finanzkonzern BNP Paribas zu beeinflussen; dies hatte Leterme kurz zuvor noch bestritten. Tags darauf trat Leterme zurĂŒck.
Ab dem 30. Dezember 2008 fĂŒhrte Herman Van Rompuy (CD&V) die belgische Föderalregierung, welche sich aus derselben FĂŒnfparteien-Koalition zusammensetzte. Nachdem er jedoch am 19. November 2009 zum ersten stĂ€ndigen PrĂ€sidenten des EuropĂ€ischen Rates designiert worden war, legte er sein Amt am 25. November 2009 nieder. Am gleichen Tag noch wurde Yves Leterme erneut zum Premierminister ernannt und fĂŒhrte seither seine zweite Föderalregierung in dieser Legislaturperiode. Diese Regierung zerbrach im April 2010 wieder, als nach internen Streitigkeiten um eine Lösung im Konflikt um den zweisprachigen Wahlkreis BrĂŒssel-Halle-Vilvoorde die flĂ€mische liberale Partei OpenVLD ihren RĂŒckzug aus der Regierung bekanntgab.
Bei den vorgezogenen Neuwahlen am 13. Juni 2010 gewannen die flĂ€mischen Nationalisten der N-VA unter Bart De Wever 27 der 150 Sitze und stellten damit unter den flĂ€mischen Parteien die stĂ€rkste Fraktion im Parlament. In Wallonien wurde die sozialistische PS von Elio Di Rupo stĂ€rkste politische Kraft. Die Regierungsbildung war schwierig, und erst anderthalb Jahre spĂ€ter konnte Elio Di Rupo eine Koalitionsregierung bilden, die am 5. Dezember 2011 ernannt wurde. Als âTripartiteâ aus den Parteifamilien der Sozialisten, Liberalen und Christdemokraten bestehend, hatte sie unter den flĂ€mischen Parteien keine Mehrheit. Mit dem Sozialisten Elio Di Rupo wurde erstmals seit dem Ende der letzten Regierung von Paul Vanden Boeynants 1979 ein Frankophoner und ein Sozialist zum belgischen MinisterprĂ€sidenten gewĂ€hlt. Bis zu seiner Wahl blieb die Regierung Leterme geschĂ€ftsfĂŒhrend im Amt. Die Zeitspanne von 541 Tagen von der Wahl bis zur Bildung der neuen Regierung stellt einen Rekord in der modernen Weltgeschichte dar.
Am 21. Juli 2013 â dem belgischen Nationalfeiertag â dankte König Albert II. zugunsten seines Ă€ltesten Sohnes Philippe ab, nachdem er dies am 3. Juli 2013 angekĂŒndigt hatte.
Bei der Wahl vom 25. Mai 2014 verloren vor allem die Sozialisten Stimmen, wodurch die vormalige Regierung keine Mehrheit mehr hatte. Die N-VA konnte weitere Zugewinne verbuchen. Am 11. Oktober 2014 wurde die neue Regierung, die Coalition suĂ©doise (âschwedische Koalitionâ) genannt wurde, unter dem frankophonen Premierminister Charles Michel vereidigt. Im Gegensatz zu den bisher ĂŒblichen breiten Koalitionen stammen alle beteiligten Parteien, die flĂ€mischen Nationalisten (N-VA), Christdemokraten (CD&V) und die Liberalen beider Sprachgruppen (MR und Open Vld) aus dem Mitte-rechts-Spektrum. Erstmals seit 1988 waren die Sozialisten nicht an der Regierung beteiligt, die auf frankophoner Seite keine Mehrheit hatte.
Die Regierung Michel I stĂŒrzte im Dezember 2018 ĂŒber die Ratifizierung des UN-Migrationspakts, die von der N-VA abgelehnt wurde und die sich dann aus der Regierung zurĂŒckzog. Daraufhin bildete Charles Michel die Regierung Michel II ohne die N-VA-Mitglieder, die aber vor einem Misstrauensvotum am 18. Dezember 2018 zurĂŒcktrat und anschlieĂend geschĂ€ftsfĂŒhrend im Amt blieb, auch ĂŒber die Parlamentswahlen vom 26. Mai 2019 hinaus, da sich keine neue Mehrheit fand.
Nachdem Charles Michel als Nachfolger von Donald Tusk zum PrĂ€sidenten des EuropĂ€ischen Rates gewĂ€hlt worden war, kĂŒndigte er am 26. Oktober 2019 seinen RĂŒcktritt an. Am 27. Oktober 2019 ernannte der König Sophie WilmĂšs zur neuen geschĂ€ftsfĂŒhrenden MinisterprĂ€sidentin, die erste Frau in diesem Amt seit der UnabhĂ€ngigkeit vor 188 Jahren. Am 17. MĂ€rz 2020 wurde sie vom König als ordentliche Premierministerin der Regierung WilmĂšs II vereidigt, nachdem ihr angesichts der COVID-19-Pandemie alle Parteien mit Ausnahme der wallonischen Kommunisten, der flĂ€mischen Nationalisten der N-VA und der flĂ€mischen Rechtsextremisten von Vlaams Belang die UnterstĂŒtzung zusagten. Sie versprach, sich nur um die COVID-19-Pandemie in Belgien und deren Folgen zu kĂŒmmern und nach einem halben Jahr die Vertrauensfrage zu stellen. Nachdem die Regierungsbildung weiter stockte, sich folglich eine neue Koalition sammelte, jedoch fĂŒr einen der Informateurs wegen einer Infektion mit COVID-19 die QuarantĂ€ne angeordnet wurde, wurde die Zeit erneut verlĂ€ngert.
Am 1. Oktober 2020 wurde die neue Regierung unter Premierminister Alexander De Croo vereidigt, die erstmals aus sieben Parteien der vier Parteifamilien der Sozialisten, Liberalen, Christdemokraten und GrĂŒnen besteht, und âVivaldi-Koalitionâ genannt wird. Sie gilt als linksliberal, ist erstmals paritĂ€tisch mit zehn Frauen und zehn MĂ€nnern besetzt, deutlich jĂŒnger und mit fĂŒnfzehn Regierungsmitgliedern besetzt, die nie zuvor ein föderales politisches Amt ausĂŒbten. Sophie WilmĂšs wurde darin AuĂenministerin.
Belgien hat eine strategische geographische Position im Herzen Europas, inmitten eines europĂ€ischen Ballungsraumes und in der NĂ€he der gröĂten SeehĂ€fen. Dadurch besteht eine gewisse AbhĂ€ngigkeit vom internationalen Handel, wobei die wichtigsten Handelspartner die Nachbarstaaten Niederlande, Deutschland und Frankreich sind. Das macht Belgien zu einer der offensten Volkswirtschaften in der EuropĂ€ischen Union. Vor diesem Hintergrund verfolgt Belgien traditionell eine Ăffnungspolitik zu den europĂ€ischen Nachbarn, zum einen durch die Benelux-Gemeinschaft, zum anderen im Rahmen des Europarates und der EuropĂ€ischen Union, zu deren GrĂŒndungsmitgliedern Belgien gehört. Das Land ist ebenfalls GrĂŒndungsmitglied der EuropĂ€ischen WĂ€hrungsunion. Eurobarometer-Umfragen zeigen regelmĂ€Ăig, dass die belgische Bevölkerung etwa zu zwei Drittel pro-europĂ€isch eingestellt ist, was ĂŒber dem EU-Durchschnitt von knapp ĂŒber 50 Prozent liegt. Die belgische Hauptstadt BrĂŒssel ist Sitz mehrerer EU-Institutionen und Agenturen wie die Kommission, das Parlament, der Ministerrat, der Wirtschaft- und Sozialausschuss oder der Ausschuss der Regionen, sowie zahlreicher Lobbying-Gruppen, Nichtregierungsorganisationen usw., die im Bereich der Europapolitik arbeiten.
Die belgischen Regierungen seit 1945 haben sich fĂŒr den Aufbau Europas eingesetzt. Unter belgischem Ratsvorsitz in der zweiten HĂ€lfte 2001 wurde die Einberufung des Verfassungskonvents beschlossen, der einige Jahre spĂ€ter den Vertrag ĂŒber eine Verfassung fĂŒr Europa (VVE) hervorbringen sollte. Belgien setzte sich fĂŒr den Ratifizierungsprozess des VVE ein und â nach dessen Scheitern â fĂŒr die Erhaltung der Substanz des VVE im Vertrag von Lissabon, der am 13. Dezember 2007 unterschrieben wurde und am 1. Dezember 2009 in Kraft trat.
Belgiens Verteidigungspolitik stĂŒtzt sich nicht nur auf die NATO (Belgien ist GrĂŒndungsmitglied), sondern auch auf die EU im Rahmen der Gemeinsamen AuĂen- und Sicherheitspolitik (GASP). Die Hauptstadt BrĂŒssel ist sowohl Sitz der NATO-Hauptorgane als auch der EuropĂ€ischen Verteidigungsagentur der EU, was Belgien zum Zentrum der euro-atlantischen Verteidigungsstrukturen macht. Das Land stellt fĂŒr die EU Battlegroups Truppen bereit und beteiligt sich an EinsĂ€tzen der EU, beispielsweise an der EUFOR. Durch seine historischen Verbindungen zum afrikanischen Land Kongo hat sich Belgien als MeinungsfĂŒhrer bei Angelegenheiten der GroĂen Seen und Zentralafrikas innerhalb der EU etabliert und ist maĂgeblich um eine friedliche Stabilisierung des Ostkongo bemĂŒht.
Durch Belgiens föderale Struktur, die der Lokalebene auĂerordentlich viele Kompetenzen zuweist, sind sowohl die Regionen als auch die Gemeinschaften maĂgeblich an der Formulierung der belgischen Europapolitik beteiligt, jedoch zugleich von der Umsetzung politischer Ziele der EU betroffen â was eventuelle lokale Unterschiede bei der Umsetzung erklĂ€rt. Zum Beispiel sind sie zustĂ€ndig fĂŒr Kulturpolitik und können in diesem Bereich VertrĂ€ge mit auslĂ€ndischen Staaten abschlieĂen, sodass sie im Ausland ein eigenstĂ€ndiges Profil aufgebaut haben, zum Beispiel indem sie in einigen belgischen Botschaften Kulturreferenten stellen.
In der zweiten HĂ€lfte 2010 hatte Belgien den Vorsitz des Ministerrates inne. Diese belgische RatsprĂ€sidentschaft bildete das MittelstĂŒck der Trio-PrĂ€sidentschaft mit Spanien (erste HĂ€lfte 2010) und Ungarn (erste HĂ€lfte 2011). Im ersten Halbjahr 2024 hat Belgien den Ratsvorsitz zum dreizehnten Mal inne. Erster Vorsitzender des Rates der EuropĂ€ischen Union war 1958 der damalige belgische AuĂenminister Victor Larock. Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurde der Belgier Herman Van Rompuy in das neugeschaffene Amt des PrĂ€sidenten des EuropĂ€ischen Rates berufen; seit dem 1. Dezember 2019 hat der Belgier Charles Michel dieses Amt inne.
Die Belgischen StreitkrĂ€fte (niederlĂ€ndisch Defensie van BelgiĂ«, französisch ArmĂ©e belge) untergliedern sich in Heer, Marine, LuftstreitkrĂ€fte und medizinisches Korps (niederlĂ€ndisch Medische Component, französisch Corps mĂ©dical). 2006 hatten die Belgischen StreitkrĂ€fte eine StĂ€rke von 36.000 Mann. Der freiwillige Wehrdienst wurde formell 1994 abgeschafft. Belgien gab 2017 knapp 0,9 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 4,4 Milliarden US-Dollar fĂŒr seine StreitkrĂ€fte aus.
Die LandstreitkrĂ€fte sind mit 24.600 die gröĂte der TeilstreitkrĂ€fte.
Die belgischen LuftstreitkrĂ€fte (niederlĂ€ndisch Luchtmacht, französisch Force AĂ©rienne Belge) ist mit 6350 Mann die zweitgröĂte Teilstreitkraft. Ihr stehen 72 F-16-Kampfflugzeuge sowie 31 Hubschrauber zur VerfĂŒgung.
Die Marine ist in einem gemeinsamen Benelux-Kommando organisiert. Sie verfĂŒgt ĂŒber zwei Wielingen-Fregatten, sechs MinenjĂ€ger und ein Flusspatrouillenschiff.
Die Polizeireform von 2001 hat eine auf zwei Ebenen strukturierte integrierte Polizei geschaffen:
Belgien ist seit 1993 ein Bundesstaat, der sich sowohl in drei Regionen als auch in drei Gemeinschaften gliedert. Als nachgeordnete Verwaltungseinheiten bestehen zehn Provinzen und 43 Arrondissements. Die lokale Selbstverwaltung wird von den 589 Gemeinden ausgeĂŒbt.
Sowohl die Regionen als auch die Gemeinschaften sind Gliedstaaten des belgischen Bundesstaates; sie unterscheiden sich durch ihre territoriale Abgrenzung und ihre Kompetenzen. Die Regionen (niederlĂ€ndisch gewesten, französisch rĂ©gions) sind zustĂ€ndig fĂŒr groĂe Bereiche der Wirtschafts-, Umwelt-, Verkehrs- und Agrarpolitik, zudem ĂŒben sie die Rechts- und ggf. Fachaufsicht ĂŒber Provinzen, Arrondissements und Gemeinden aus. Die Gemeinschaften (niederlĂ€ndisch gemeenschappen, französisch communautĂ©s; frĂŒher hĂ€ufig auch als Kultur- bzw. Sprachgemeinschaften bezeichnet) verantworten das gesamte Bildungswesen, die Kulturpolitik sowie weitere âpersonenbezogene Angelegenheitenâ (Bereiche der Familien-, Gesundheits- und Sozialpolitik, unter anderem die öffentlichen KrankenhĂ€user). Auch im Vergleich mit anderen Bundesstaaten verfĂŒgen Regionen und Gemeinschaften zusammengenommen ĂŒber ein hohes MaĂ an Kompetenzen, zudem können sie in ihren Verantwortungsbereichen eigenstĂ€ndig VertrĂ€ge mit auslĂ€ndischen Staaten abschlieĂen. Vom belgischen Staat abgeschlossene internationale VertrĂ€ge, die Kompetenzen der Regionen bzw. Gemeinschaften betreffen, bedĂŒrfen der Zustimmung derer Parlamente; dies gilt beispielsweise fĂŒr die VertrĂ€ge der EuropĂ€ischen Union. Bei der Bundesebene sind vor allem die ZustĂ€ndigkeit fĂŒr AuĂen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik, die sozialen Sicherungssysteme sowie die Polizei und Justiz verblieben.
Die territoriale Abgrenzung der Regionen und Gemeinschaften richtet sich nach den Sprachgebieten: Die FlĂ€mische Region umfasst das niederlĂ€ndische Sprachgebiet, die Wallonische Region das französische und das deutsche Sprachgebiet, die zweisprachige Region BrĂŒssel-Hauptstadt das französisch-niederlĂ€ndische Sprachgebiet. Die FlĂ€mische Gemeinschaft ĂŒbt ihre Befugnisse auf dem niederlĂ€ndischen und dem zweisprachigen Sprachgebiet aus, die Französische Gemeinschaft auf dem französischen und dem zweisprachigen Sprachgebiet, die Deutschsprachige Gemeinschaft auf dem deutschen Sprachgebiet. Regionen und Gemeinschaften verfĂŒgen jeweils ĂŒber ein eigenes Parlament und eine eigene Regierung. Allerdings haben die FlĂ€mische Gemeinschaft und die FlĂ€mische Region ihre Institutionen zusammengelegt, so dass es nur ein FlĂ€misches Parlament und eine FlĂ€mische Regierung gibt, die sowohl die Befugnisse der Region als auch die der Gemeinschaft ausĂŒben.
AuĂerdem kennt Belgien auf einer tieferen Verwaltungsebene die zehn Provinzen, die innerhalb der Regionen liegen:
Die unterste Verwaltungsebene stellen die 581 Gemeinden dar (siehe auch Liste der Gemeinden in Belgien, Liste der Gemeinden in Flandern, Liste der Gemeinden in Wallonien).
Der Staatshaushalt umfasste 2009 ErtrĂ€ge (Einnahmen) von 163 Milliarden Euro. Dem standen Aufwendungen (Ausgaben) in Höhe von 183 Milliarden Euro gegenĂŒber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 20 Milliarden Euro beziehungsweise 6,0 % des Bruttoinlandsprodukts. Belgien ist es in den Jahren zwischen 1995 und 2007 gelungen, den relativen Anteil der Staatsverschuldung am Bruttosozialprodukt deutlich abzubauen. Dieser Erfolg wird hingegen durch die Folgen der Weltfinanzkrise seit 2007 gefĂ€hrdet. Am 25. November 2011 stufte die Ratingagentur Standard & Poorâs Belgien von der Bewertung âAA+â auf âAAâ herab. BegrĂŒndet wurde dies mit der schwelenden Staatskrise, dem geringen Wachstum und dem wachsenden Druck der FinanzmĂ€rkte.
Die Staatsverschuldung betrug zum 30. Juni 2016 455,3 Milliarden Euro oder 109,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
2020 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) folgender Bereiche:
Im Vergleich mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EuropĂ€ischen Union, ausgedrĂŒckt in Kaufkraftstandards, erreichte Belgien 2014 einen ĂŒberdurchschnittlichen Index von 118 (EU-28: 100). Das Bruttoinlandsprodukt Belgiens betrug im Jahr 2015 ca. 409,4 Milliarden Euro. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrug im selben Jahr 36.500 Euro. Belgien stand trotz seiner kleinen Bevölkerung im Jahr 2016 auf Platz 20 der gröĂten GĂŒterexporteure. Dank seiner Lage im Herzen Europas ist es sehr eng in das Handelsnetz der EuropĂ€ischen Union integriert. Die wichtigsten Handelspartner Belgiens sind die NachbarlĂ€nder Frankreich, Deutschland und die Niederlande. Im Global Competitiveness Index, der die WettbewerbsfĂ€higkeit eines Landes misst, belegt Belgien Platz 20 von 137 LĂ€ndern (Stand 2017â2018). Im Index fĂŒr wirtschaftliche Freiheit belegt das Land 2019 Platz 48 von 180 LĂ€ndern.
Die Arbeitslosenquote lag im Juni 2019 bei 5,4 Prozent und damit leicht unter dem EU-Durchschnitt. Im Jahr 2017 betrug die Jugendarbeitslosigkeit 19 Prozent. Die Gesamtzahl der BeschĂ€ftigten wurde 2019 auf rund fĂŒnf Millionen geschĂ€tzt.
Verteilung der erwerbstÀtigen Bevölkerung nach Sektoren (Stand: 201 und in Klammern Anteil an der gesamten Wertschöpfung 2016):
Der Tourismus spielt in Belgien eine groĂe Rolle. Im Travel and Tourism Competitiveness Report 2017 des World Economic Forum belegt Belgien Platz 21 von 136 LĂ€ndern. Belgien wurde 2016 von 7,5 Millionen auslĂ€ndischen Touristen besucht, die dem Land Einnahmen in Höhe von 11,8 Milliarden US-Dollar brachten. Vor allem Deutsche, Briten, Luxemburger, Franzosen und NiederlĂ€nder besuchen Belgien. Bei den Briten ist auĂerdem eine Art Erster-Weltkrieg-Tourismus entstanden. In Westflandern stehen noch viele alte KriegsdenkmĂ€ler und -friedhöfe. Daneben sind alle Ferienbadeorte an der belgischen NordseekĂŒste (Knokke-Heist, BrĂŒgge, Blankenberge, De Haan, Bredene, Ostende, Middelkerke, Nieuwpoort, Koksijde und De Panne) sehr beliebt. AuĂerdem sind die Ardennen eine vielbesuchte Urlaubsregion. Von der belgischen NordseekĂŒste aus kann man viele Tagestouren unternehmen, etwa in die NachbarlĂ€nder Frankreich und Niederlande oder GroĂbritannien. Als besonders nachgefragt haben sich auch StĂ€dtetouren nach BrĂŒssel, Hasselt, Gent, Antwerpen und andere erwiesen. Die Stadt BrĂŒgge ist wahrscheinlich die Stadt mit dem gröĂten Tourismus. Sie wird gelegentlich Venedig des Nordens genannt. Es existiert ein eigenstĂ€ndiger Tourismusverband fĂŒr Flandern sowie ein weiterer fĂŒr das ĂŒbrige Belgien.
Belgien verfĂŒgt ĂŒber zwei aktive Kernkraftwerke, die im Jahr 2022 fĂŒr 46,4 Prozent der Gesamtstromerzeugung standen (siehe Kernenergie in Belgien). In den Wintermonaten 2018/19 drohte ein Blackout, als sechs Reaktoren gleichzeitig vom Netz genommen werden sollten. Im Jahr 1999 wurde ein Atomausstieg vom Parlament beschlossen und 2003 ein Zeitplan bis 2025 festgelegt. Bei der Umsetzung kam es jedoch zu Verzögerungen. Im MĂ€rz 2022 gab die Föderalregierung die VerlĂ€ngerung des Atomausstiegs bis 2035 bekannt.
Neben der Kernenergie fĂŒr die Grundlast setzt Belgien u. a. auf den Ausbau von Offshore-Windparks vor der KĂŒste und produziert eine Leistung von 2,26 Gigawatt. Belgien ist durch Hochspannungs-Gleichstrom-Ăbertragungsleitungen (HGĂ) mit dem Vereinigten Königreich (Nemo Link; seit Januar 2019) und Deutschland (ALEGrO; seit November 2020) verbunden.
Die föderale Struktur Belgiens spiegelt sich auch in der Medienszene des Landes wider. Es bestehen drei voneinander unabhÀngige Medienwelten auf NiederlÀndisch, Französisch und Deutsch.
Der flĂ€mische Zeitungsmarkt ist der gröĂte und wird von drei Verlagskonzernen dominiert: Corelio Media (u. a. Herausgeber von De Standaard, Het Nieuwsblad), De Persgroep (u. a. Herausgeber von Het Laatste Nieuws, De Morgen, De Tijd) und Concentra (u. a. Herausgeber von Het Belang van Limburg, Metro). Die bedeutendsten Verlagsunternehmen in der Wallonie sind Rossel (u. a. Herausgeber von Le Soir wie auch Mitherausgeber von LâEcho und Grenzecho) sowie IPM/Medi@bel.
Beim Rundfunk existieren fĂŒr die drei Sprachgemeinschaften jeweils separate öffentlich-rechtliche Sender: VRT (Vlaamse Radio- en Televisieomroep) fĂŒr Flandern, RTBF (Radio TĂ©lĂ©vision Belge Francophone) fĂŒr die Wallonie und der BRF (Belgischer Rundfunk) fĂŒr die deutschsprachige Gemeinschaft. Von den deutschsprachigen Ostbelgiern werden neben den BRF-Programmen viele Hörfunk- und Fernsehprogramme aus dem nahen Deutschland genutzt.
Bedeutendste deutschsprachige Zeitung ist das in Eupen tĂ€glich erscheinende Grenz-Echo. Zu den Zeitschriften zĂ€hlen unter anderem die deutschsprachige Ausgabe des Belgischen Staatsblattes (Amtsblatt der belgischen Föderalregierung) in BrĂŒssel, die landwirtschaftliche Publikation Der Bauer aus St. Vith, das stĂ€dtische Mitteilungsblatt Eupen aktuell, das Verbandsorgan Der Ăffentliche Nahverkehr in der Welt â Public Transport International aus BrĂŒssel oder das Quartalsmagazin GeschwĂ«nn â ZĂ€itschrĂ«ft vum Arelerland (luxemburgisch) fĂŒr die Deutschsprachigen in SĂŒdostbelgien um die Stadt Arlon.
Belgien stand laut einer Studie der Bank Credit Suisse aus dem Jahre 2017 auf Rang 17 weltweit beim nationalen Gesamtvermögen. Der Gesamtbesitz an Immobilien, Aktien und Bargeld belief sich auf insgesamt 2.453 Milliarden US-Dollar. Das Vermögen pro erwachsene Person betrĂ€gt 278.139 US-Dollar im Durchschnitt und 161.589 US-Dollar im Median (in Deutschland: 203.946 bzw. 47.091 US-Dollar). Beim Vermögen je Einwohner gehört Belgien damit zu den zehn reichsten LĂ€ndern weltweit. Insgesamt war 54 Prozent des gesamten Vermögens der Belgier finanzielles Vermögen und 46 Prozent nicht-finanzielles Vermögen. Der Gini-Koeffizient bei der Vermögensverteilung lag 2017 bei 63, was auf eine relativ moderate Vermögensungleichheit hindeutet. Die obersten 10 Prozent der belgischen Bevölkerung besaĂen 47,6 Prozent des Vermögens und die obersten ein Prozent besaĂen 17,5 Prozent des Vermögens, was eine niedrigere Vermögenskonzentration ist als in den meisten anderen europĂ€ischen LĂ€ndern. Der Anteil der Belgier mit einem Vermögen von ĂŒber einer Million US-Dollar wird auf 3,9 Prozent der Bevölkerung geschĂ€tzt.
Bereits seit dem 19. Jahrhundert bestehen in Belgien Streitigkeiten zwischen den frankophonen Wallonen und den NiederlĂ€ndisch sprechenden Flamen (siehe auch flĂ€misch-wallonischer Konflikt). Ein aktueller Streitpunkt hat seine Ursache in wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den Landesteilen: Da sich die ehemals von Kohle- und Stahlindustrie geprĂ€gten wallonischen Regionen in einer Rezessionsphase befinden, ist die Arbeitslosigkeit dort im Vergleich zu den flĂ€mischen Regionen deutlich erhöht. Gleichzeitig wird das belgische Bruttonationaleinkommen zu zwei Dritteln in Flandern erwirtschaftet. Die flĂ€mische Region zahlt einen Solidarbeitrag, der in der Wallonie vor allem zur Finanzierung von Sozialleistungen verwendet wird. Diese Zahlungen sind jedoch in der flĂ€mischen Region politisch umstritten. Der wachsende Unmut ĂŒber die wirtschaftliche SchwĂ€che der wallonischen Region manifestiert sich insbesondere in der flĂ€mischen Separatistenbewegung, deren HauptorganisationstrĂ€ger die Partei Vlaams Belang ist.
Die wichtigen Wirtschaftskennzahlen Bruttoinlandsprodukt, Inflation, Haushaltssaldo und AuĂenhandel entwickelten sich in den letzten Jahren folgendermaĂen:
Dank seiner zentralen Lage als europĂ€isches Handelszentrum hat Belgien eines der weltweit dichtesten Verkehrsnetze. Im Logistics Performance Index, der von der Weltbank erstellt wird, belegte Belgien 2016 den sechsten Platz unter 160 LĂ€ndern. Besonders gut schnitten die Parameter fĂŒr internationale Schifffahrt und den logistischen Zeitaufwand ab.
In der Feuerwehr in Belgien waren im Jahr 2019 landesweit 5.519 Berufsfeuerwehrleuten und 12.230 freiwilligen Feuerwehrleuten in 252 Feuerwachen und FeuerwehrhĂ€usern organisiert, die 34 sogenannten Hilfeleistungszonen und der Feuerwehr BrĂŒssel zugeteilt sind. FĂŒr FeuerwehreinsĂ€tze standen im gleichen Jahr 1.680 Löschfahrzeuge und 270 Drehleitern bzw. Teleskopmasten bereit. Die nationale Feuerwehrorganisation Direction gĂ©nĂ©rale SĂ©curitĂ© civile reprĂ€sentiert die belgische Feuerwehr mit ihren Feuerwehrangehörigen im Weltfeuerwehrverband CTIF.
Belgien war mit der 1835 eingeweihten Strecke von BrĂŒssel nach Mechelen das erste Land in Kontinentaleuropa mit Eisenbahnverbindungen. Die staatliche Eisenbahngesellschaft heiĂt Nationale Gesellschaft der Belgischen Eisenbahnen (NMBS/SNCB) und betreibt eines der am dichtesten ausgebauten Bahnnetze der Welt. FĂŒr BrĂŒssel und das Umland ist am 13. Dezember 2015 eine S-Bahn in Betrieb gegangen, seit 2018 verkehren ebenfalls in Antwerpen, Charleroi, Gent und LĂŒttich S-Bahnen.
Im internationalen Bahnverkehr ist Belgien mit Hochgeschwindigkeitsstrecken an seine NachbarlĂ€nder angebunden. Nach Deutschland, Frankreich, in die Niederlande, sowie ins Vereinigte Königreich ĂŒber den Eurotunnel verkehren Eurostar-, ICE-, TGV- und Thalys-ZĂŒge. In die drei groĂen NachbarlĂ€nder und nach Luxemburg bestehen auĂerdem Intercity- und Regionalzugverbindungen. Der Nachtzugverkehr von und nach Belgien wurde 2020 mit dem Nightjet der Ăsterreichischen Bundesbahnen wiederaufgenommen.
Die traditionsreiche Schlafwagengesellschaft Compagnie Internationale des Wagons-Lits, die unter anderem die LuxuszĂŒge Orient-Express, Nord- und SĂŒd-Express oder Ostende-Wien-Express betrieb, wurde von dem aus LĂŒttich stammenden Georges Nagelmackers gegrĂŒndet.
Belgien verfĂŒgt ĂŒber ein dicht ausgebautes Netz im öffentlichen Nahverkehr. Landesweit gibt es drei Nahverkehrsunternehmen: STIB/MIVB in BrĂŒssel, De Lijn in Flandern und Transport en Commun (TEC) in der Wallonie.
Neben Busverkehr hat Belgien auch eine lange Geschichte mit stĂ€dtischem Schienenverkehr. In BrĂŒssel existiert ein Metro-System. StĂ€dtische StraĂen- und Stadtbahnen verkehren zudem in Antwerpen, BrĂŒssel, Charleroi und Gent. Ein neuer Betrieb in LĂŒttich ist in Bau und soll 2025 eröffnet werden.
Alle Orte entlang der gesamten NordseekĂŒste Belgiens sind mit der lĂ€ngsten Ăberland-StraĂenbahnlinie der Welt verbunden, der Kusttram. Diese ist einer der letzten Ăberreste des einstigen landesweiten ĂberlandstraĂenbahnnetzes, welches von der Nationalen Kleinbahngesellschaft (SNCV/NMVB) betrieben wurde.
Belgien ist ein wichtiges Transitland zwischen Mittel- und Westeuropa. Der bedeutendste Hafen ist Antwerpen an der Schelde, einer der gröĂten und wichtigsten SeehĂ€fen der Welt. Auch der Seehafen von BrĂŒgge-ZeebrĂŒgge gilt als einer der modernsten und bedeutendsten in Europa. Traditionelle Bedeutung als FĂ€hrhafen besaĂ, bis zur Eröffnung des Eurotunnels, der Hafen von Ostende.
Der wichtigste Flughafen des Landes ist BrĂŒssel-Zaventem. Weitere FlughĂ€fen sind BrĂŒssel-Charleroi, LĂŒttich, Antwerpen und Ostende-BrĂŒgge.
Die staatliche belgische Fluggesellschaft war bis zu ihrem Bankrott am 6. November 2001 die traditionsreiche Sabena. Sie ging in der SN Brussels Airlines auf, die sich wiederum mit Virgin Express zur Brussels Airlines vereinigte.
Das gesamte StraĂennetz umfasste 2013 etwa 154.012Â Kilometer, wovon 120.514Â Kilometer asphaltiert sind.
Belgien besitzt ein sehr gut ausgebautes Autobahnnetz mit einer LĂ€nge von 1.756 Kilometern im Jahr 2010, das â wie auch alle anderen StraĂen in Belgien â fast komplett mit StraĂenlaternen ausgestattet und nachts beleuchtet ist. Jedoch soll diese Beleuchtung aus GrĂŒnden der Stromersparnis und damit des Klimaschutzes kĂŒnftig eingeschrĂ€nkt werden und folglich zwischen 0:30 Uhr und 4:30 Uhr abgeschaltet bleiben. Aufgrund des hohen auslĂ€ndischen Verkehrsaufkommens war fĂŒr 2008 eine Autobahnmaut in Höhe von 60 Euro geplant, die fĂŒr heftige Diskussionen gesorgt hatte und bis heute nicht eingefĂŒhrt wurde.
Das Bildungssystem ist in Belgien aufgrund der weitreichenden Befugnisse der einzelnen Gemeinschaften unterschiedlich, das Hochschulwesen wurde aber im Zuge des Bologna-Prozesses weitgehend auf zwischengemeinschaftlicher und europĂ€ischer Ebene vereinheitlicht. Die föderale Instanz von Belgien ist zustĂ€ndig fĂŒr die Pensionen der Lehrer, das Festlegen des Minimalwissens zur Erlangung eines Diploms und fĂŒr das Schulwesen (vom 6. bis zum 18. Lebensjahr).
Ab einem Alter von zweieinhalb oder vier Jahren besuchen die Kinder in Flandern oft eine Art Kindergarten mit Vorschule (niederlĂ€ndisch Kleuteronderwijs). Ab einem Alter von sechs Jahren gehen sie sechs Jahre zur Grundschule (niederlĂ€ndisch Basisonderwijs). Die Schulen sind öffentlich (FlĂ€mische Gemeinschaft), frei (subventioniert, meist katholisch) oder privat (nicht subventioniert). Viele katholische Schulen genieĂen ein höheres Ansehen als die staatlichen. Als erste Fremdsprache wird vom fĂŒnften Schuljahr an Französisch unterrichtet.
Ab dem siebten Schuljahr erfolgt der Unterricht auf einer Sekundarschule. Die Sekundarschulen (niederlÀndisch Secundair onderwijs) sind wie folgt unterteilt:
Auf KSO-Schulen, die es meist nur in den gröĂeren StĂ€dten gibt, können die SchĂŒler auch moderne FĂ€cher wie z. B. Comiczeichnen, Computergrafik etc. wĂ€hlen. Englisch, Französisch und Mathematik bilden Schwerpunkte des Lehrplans. Abgeschlossen wird mit dem Diploma Secundair Onderwijs (Abitur), der den Zugang zum Hochschulstudium ermöglicht.
Nur im BSO-Sektor können Jugendliche die Schule bereits vor dem 18. Lebensjahr (Ende der Schulpflicht) verlassen, wenn sie eine Lehre/Berufsausbildung anschlieĂen.
Die Kinder in der Französischen Gemeinschaft Belgiens können ab einem Alter von zweieinhalb Jahren in eine Art Kindergarten (Ă©cole gardienne) aufgenommen werden. Vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr besuchen sie die Primarstufe (enseignement primaire). Die Klassenstufen werden hier von der premiĂšre primaire bis zur sixiĂšme primaire durchgezĂ€hlt. Ab der deuxiĂšme primaire können die französischsprachigen SchĂŒler NiederlĂ€ndisch lernen.
Die Sekundarstufe (enseignement secondaire) umfasst wie die Primarstufe sechs Jahre; sie bietet zwei unterschiedliche Ausbildungsrichtungen:
Die Schulbildung hat die gleiche Alterseinteilung wie in den anderen Teilen Belgiens: Ab dem dritten Lebensjahr kann der Kindergarten besucht werden. Ab dem fĂŒnften oder sechsten Lebensjahr besucht man dann eine sechsjĂ€hrige Primarschule. Weitere sechs Jahre werden auf einer Sekundarschule absolviert. Einige Schulen umfassen alle drei Altersstufen, können also vom Kindergarten bis zum Abitur besucht werden. Andere Schulen können nur vom Kindergarten bis zum sechsten Schuljahr besucht werden, anschlieĂend muss auf eine andere Schule gewechselt werden. Manche Schulen sind reine Sekundarschulen (siebtes bis zwölftes Schuljahr).
Bereits ab dem ersten Schuljahr wird Französisch unterrichtet. Ab dem achten Schuljahr kommt als dritte Sprache Englisch hinzu.
Ab dem neunten Schuljahr kann ein SchĂŒler in einigen Schulen zwischen Sozial-, Naturwissenschaften, Sprachen, Kunst, Sekretariat, Wirtschaftswissenschaften oder Elektronik wĂ€hlen.
Bei der Sprachenabteilung (neusprachlicher Zweig) erlernt ein SchĂŒler neben Englisch und Französisch noch Italienisch, Spanisch und NiederlĂ€ndisch.
Unterrichtspflicht besteht bis zum 18. Lebensjahr, wobei ein SchĂŒler dieser Pflicht auch mit einer Lehre entsprechen kann. Dort muss man lediglich zweimal die Woche zur Berufsschule.
Belgien hat elf UniversitÀten:
Im deutschen Sprachgebiet gibt es nur eine Hochschule, die Autonome Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft.
Den UniversitĂ€ten gleichgestellte EinzelfakultĂ€ten sind die Evangelisch-Theologische FakultĂ€t Löwen (Evangelische Theologische Faculteit), die FakultĂ€t fĂŒr Protestantische Theologie BrĂŒssel (Faculteit voor Protestantse Godgeleerdheid) und die Königliche MilitĂ€rakademie (Koninklijke Militaire School / Ăcole royale militaire).
In BrĂŒgge ist das renommierte Europakolleg angesiedelt.
Neben den UniversitÀten existieren in den drei Gemeinschaften zahlreiche weitere Hautes Ecoles/Hogescholen und mehrere Kunsthochschulen (Ecoles Supérieures des Arts).
Eine typische gesamtbelgische KĂŒche gibt es nicht, da zahlreiche SpezialitĂ€ten eher der flĂ€mischen KĂŒche oder der KĂŒche Walloniens zuzuordnen sind oder von den KochkĂŒnsten der NachbarlĂ€nder, insbesondere Frankreichs (genauer: Lothringens), inspiriert sind. Es wurde aber eine weltbekannte Erfindung in Belgien gemacht, die hĂ€ufig falsch eingeordnet wird: Pommes frites. Belgische Waffeln stellen ebenfalls eine SpezialitĂ€t dar. Die bekanntesten Waffelvarianten sind die BrĂŒsseler und die LĂŒtticher Waffeln. Des Weiteren ist Belgien fĂŒr seine Pralinen bekannt, welche zur Weltspitze gehören. Eine weitere Besonderheit ist die Sortenvielfalt der belgischen Biere, darunter zahlreiche Abteibiere (Abdijbier, BiĂšre dâAbbaye) mit höherem Alkoholgehalt, auf besondere Weise vergorene Biere (z. B. Lambic, Geuze) oder mit Fruchtaromen versetzte Biere. Die am meisten verbreiteten Biersorten sind Jupiler und Stella Artois, die beide zum belgischen Brauereikonzern AB-InBev gehören.
Ein beliebter Sport in Belgien ist FuĂball. Die 1. belgische Liga ist eine der Ă€ltesten der Welt. In den 1970er- und 1980er-Jahren gehörte das belgische Nationalteam (Rote Teufel genannt) zur internationalen Spitze. Nach der Teilnahme an der FuĂball-Weltmeisterschaft 2002 hatte sich Belgien allerdings zwölf Jahre lang nicht mehr fĂŒr ein internationales Turnier qualifizieren können. In den letzten Jahren zĂ€hlte die belgische Nationalmannschaft jedoch wieder zur Weltspitze, wie sie mit dem Gewinn der Bronzemedaille bei der FuĂball-Weltmeisterschaft 2018 bewies. (Siehe auch: FuĂball in Belgien)
Der Nationalsport in Belgien ist jedoch der Radsport. Deswegen hat Belgien auch einige BerĂŒhmtheiten im Radsport hervorgebracht. So gehörten und gehören Eddy Merckx, Roger De Vlaeminck, Johan Museeuw, Peter Van Petegem sowie Tom Boonen zu den besten Radsportlern der Welt. Wichtige Eintagesklassiker finden in Belgien statt, beispielsweise LĂŒttichâBastogneâLĂŒttich und die Flandern-Rundfahrt.
Speziell zu erwÀhnen ist auch der Cyclocross, eine Spezialdisziplin des Radsports, welche im Winter ausgetragen wird. Die heimischen Rennen werden von zehntausenden Zuschauern besucht. In der Regel werden drei bis vier der ca. acht Weltcup-Wettbewerbe in Belgien ausgetragen, ebenso wie die meisten am höchsten eingestuften sonstigen Wettbewerbe. Belgien dominiert den Sport wie kein anderes Land und stellte mit Abstand die meisten Weltmeister und Weltcup-Gesamtsieger, wobei besonders Sven Nys hervorzuheben ist.
Auch der Tennissport ist im Aufwind. Die flÀmische Kim Clijsters und die wallonische Justine Henin gehörten lange Zeit zu den besten Spielerinnen der Welt.
In der Leichtathletik ist Kim Gevaert (100 und 200Â m) Europameisterin und Tia Hellebaut (Hochsprung) Olympiasiegerin.
Rugby Union wird ebenfalls in Belgien gespielt. Der belgischen Nationalmannschaft gelang jedoch noch nicht die Qualifikation fĂŒr eine Rugby-Union-Weltmeisterschaft. Belgien ist einer der Teilnehmer bei der Rugby-Union-Europameisterschaft und trifft dort auf andere aufstrebende Nationalmannschaften. Der ehemalige PrĂ€sident des Internationalen Olympischen Komitees Jacques Rogge war fĂŒr die belgische Nationalmannschaft aktiv.
Nicht vergessen werden sollte Karambolage und Billard Artistique, in denen die Sportler RenĂ© Vingerhoedt und Raymond Ceulemans ĂŒber Jahre die Szene dominierten. Den Titel bei der Snookerweltmeisterschaft 2023 errang Luca Brecel. Auch fĂŒr viele Amateur- und Kneipenspieler hat Billard einen hohen Stellenwert.
Der Rundkurs von Spa-Francorchamps wird zu den anspruchsvollsten Strecken im Motorsport gezĂ€hlt. Hier gastieren in regelmĂ€Ăigen AbstĂ€nden internationale Rennserien, darunter seit 1950 die Formel 1. Zu den Höhepunkten gehört auch das jĂ€hrlich stattfindende 24-Stunden-Rennen.
Mit dem Circuit Zolder verfĂŒgt Belgien ĂŒber eine zweite Rennstrecke von ĂŒberregionaler Bedeutung. Von 1973 bis 1984 trug hier ebenfalls die Formel 1 Rennen aus. Nivelles-Baulers, der dritte Kurs, auf dem Formel-1-Rennen stattfanden, existiert nicht mehr.
Auf der Speedwaybahn von Heusden-Zolder wurden bereits mehrmals internationale PrÀdikatsrennen ausgefahren. Auf der Grasbahn in Alken in der Provinz Limburg wurde bereits das Finale zur Grasbahn-Europameisterschaft ausgetragen.
Special Olympics Belgien wurde 1979 gegrĂŒndet und nahm mehrmals an Special Olympics Weltspielen teil.
Comics sind in Belgien generell sehr populĂ€r; ein groĂer bekennender Fan war zum Beispiel König Baudouin. Den Bandes DessinĂ©es (kurz BD, französisch) oder Strips (niederlĂ€ndisch) begegnen Menschen hĂ€ufig im Stadtbild. Qualitative Buchhandlungen in Belgien verfĂŒgen ĂŒber spezielle BD-Abteilungen. Zudem werden in groĂen SupermĂ€rkten Comics angeboten.
Comics sind ein Hauptexportartikel belgischer Verlage, denn viele international bekannte und berĂŒhmte Comiczeichner und Autoren stammen aus Belgien, das damit im Vergleich zu seiner GröĂe die meisten in Europa hervorgebracht hat. Die berĂŒhmtesten sind Willy Vandersteen (Suske und Wiske), Jean Graton (Michel Vaillant), Morris (Lucky Luke), HergĂ© (Tim und Struppi), Peyo (Die SchlĂŒmpfe und weiteres), AndrĂ© Franquin (Spirou und Fantasio, Gaston und Marsupilami) und Philippe Geluck (Le Chat).
In Belgien ist es möglich, Comic als Studienrichtung an Kunsthochschulen wie der Königlichen Akademie fĂŒr bildende Kunst und dem Institut Saint-Luc in BrĂŒssel zu studieren. Daher werden die Bandes DessinĂ©es in Belgien auch als âneunte Kunstâ tituliert. In BrĂŒssel gibt es ein Comic-Museum (Centre Belge de la Bande DessinĂ©e), in dem dieser Kunstrichtung auf drei Etagen gehuldigt wird.
Im 15. und 16. Jahrhundert, der Zeit der Renaissance, waren zahlreiche Komponisten aus dem Gebiet des heutigen Belgien, vor allem aus dem Hennegau, fĂŒhrend und stilprĂ€gend in Europa (die sogenannten NiederlĂ€nder). Bedeutende Namen sind Guillaume Dufay, Johannes Ockeghem, Josquin Desprez, Heinrich Isaac, Jacob Obrecht, Adrian Willaert, Orlando di Lasso. Der französische Komponist CĂ©sar Franck wurde in LĂŒttich geboren, verbrachte seine ersten dreizehn Lebensjahre in Belgien und war dort bereits musikalisch aktiv, bevor die Familie 1835 nach Paris umsiedelte. FĂŒr die Musikwelt des 19. Jahrhunderts (und darĂŒber hinaus) war Adolphe Sax eine bedeutende Figur.
Im Jazz sind der Mundharmonikaspieler Toots Thielemans, der Tenorsaxophonist und Flötist Bobby Jaspar und der Gitarrist Philip Catherine international hervorgetreten. Der Rockmusiker Gotye, der mit seinem Hit Somebody That I Used to Know berĂŒhmt und erfolgreich wurde, ist in Belgien geboren.
Zu den bekanntesten Bands im 21. Jahrhundert zÀhlen dEUS, Gotye, Hooverphonic und Triggerfinger.
Seit den spĂ€ten 1990er-Jahren ist Belgien eine Hochburg der Trance-Musik (frĂŒher v. a. Hard Trance). International erfolgreich sind die Gruppen Ian Van Dahl, Lasgo und Sylver. In der etwas progressiveren Szene sind z. B. Push oder Yves Deruyter sehr bekannt.
In Belgien ist die aktive Sterbehilfe erlaubt, auch bei MinderjĂ€hrigen, und durch ein Gesetz geregelt, das dafĂŒr Ărzte mit besonderer Weiterbildung vorsieht.
Im Jahr 2017 haben insgesamt 2.309 Menschen die aktive Sterbehilfe in Anspruch genommen, darunter drei MinderjÀhrige. Im Jahr 2009 existierten 822 FÀlle, davon knapp 80 Prozent in Flandern.
Abk | Name | Lat N | Lat S | Lng W | Lng E | B | O |
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BrĂŒssel-Hauptstadt | 50.91371 | 50.76369 | 4.2446 | 4.48221 | ![]() |
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FlÀmische Region | 51.5051 | 50.68736 | 2.54494 | 5.91101 | ![]() |
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Wallonische Region | 50.81192 | 49.49701 | 2.84213 | 6.40782 | ![]() |